Ein besonderer Reiz von Animationsfilmen ist es Gegensätze zu koppeln, die gerade durch die absurd hohe Abweichung zur Realität einen besonderen Witz gewinnt. Den Kinofilm Turbo habe ich nicht gesehen, aber die Grundidee aus Schnecken heiße Underground-Racer im Fast and the Furious-Stil zu machen, fand ich zum Schreien komisch, egal wie platt sie auch sein mag. Reizvoller als der Film wirkte allerdings das Spiel auf mich. Eines Tages erreichte mich eine Pressemeldung, bei der drei Stichworte reichten, um mich zur Bitte um ein Rezensionsexemplar zu bewegen:

  • Schnecken
  • Rennen
  • 2-Spieler-Modus.

Augenblicklich hatte ich einen Kart-Racer vor in denen sich Schnecken mit Nitro-Antrieb fetzige Rennen lieferten. Im Splitscreen. Mit Freunden auf der Couch. Oh ja.

Nun denn, ich hätte die Beschreibung aufmerksamer lesen sollen. Als ich das Spiel in die Konsole einlegte, erwartete mich eine Überraschung: Das Spiel war kein Kart-Racer. Es hatte mit Racing eigentlich gar nichts zu tun. Stattdessen erblickte ich einen Tony Hawk-Verschnitt mit zahlreichen Mängeln. In fünf (vermutlich aus dem Film entnommenen) Umgebungen navigiert man verschiedene (vermutlich aus dem Film entnommene) Schnecken mit unterschiedlichen Attributen, die allesamt mit nervigen (vermutlich aus dem Film entnommenen) Synchronstimmen ausgestattet wurden, die sich ganz fantastisch mit der nervigen (vermutlich … nein, hoffentlich nicht aus dem Film entnommenen) Musikuntermalung paart, die verzweifelt versucht den Underground-Flair und deren Coolness auf kinderfreundliche Weise zu transportieren. Dass das Spiel in seiner Gesamtpräsentation bieder und in seiner Grafik eher unterdurchschnittlich ist, stört mich prinzipiell nicht. Das fehlen jeglicher Geschichte oder sonstigen Handlungselementen schon eher. Man startet das Spiel und hat keine Ahnung wozu man Stuntareale bewältigen muss. Gebt mir doch wenigstens eine Motivation. Und sei es nur für den obligatorischen Ruhm, von dem jede Rennschnecke träumt.

Was dem Spiel aber das Genick bricht, ist das katastrophale Handling der Schnecken. Die Steuerung umfasst die aus dem Genre üblichen Funktionen: Man kann springen, in der Luft Tricks ausführen, einen Nitro zünden (was trotz aller Kritik richtig drollig aussieht) und driften. Leider lassen die kleinen Tierchen keine Eigenschaft ihres Schneckendaseins in ihr Handling einfließen. Sie steuern sich im Prinzip wie Videospiel-Motorboote ohne Wellengang, und das auch noch ohne jegliche Physik, Körperlichkeit. Kein Gegengewicht in den Kurven, der durch das Schneckenhaus erzeugt werden könnte, kein leicht schleimiges Gefühl für den Untergrund. Kennt ihr das, wenn ihr einen Magneten auf einem Tisch mithilfe eines anderen Magneten unter der Platte bewegt? Nehmt die ruckartigen Bewegungen aus dem Vergleich heraus und ihr habt in etwa das Fahrgefühl von Turbo.

Das Stichwort „Magnet“ lässt sich auch auf die Stunts anwenden. Man klebt förmlich an Halfpipes und es ist sehr schwer wieder aus ihnen herauszukommen. Landet mal in einer Wanne. Während Ihr versucht dort wieder auszubrechen zählt der Timer gnadenlos runter und nimmt Euch mit jeder Sekunde ein Stück mehr von dem guten Willen, dem ihr diesem Lizenzschrott entgegenbringt. Viele unterschiedliche Tricks scheinen die Schnecken ohnehin nicht zu kennen, denn schon nach kurzer Zeit führt man immer und immer wieder die gleichen Kunststückchen vor. Dieses Leid müsst ihr im 2-Spieler-Modus nicht auch noch auf eine andere Person übertragen. Sehr schade. Ein Rennspiel mit Schnecken. Das wäre wirklich witzig gewesen. Offenbar ist die DS-Fassung (nicht 3DS!) die einzige, die dieser potentiell coolen Ideen gefolgt ist. Bei den übrigen Versionen hat man leider eher den Eindruck, man hätte ein bestehendes, in der Schublade liegendes Projekt genommen und nachträglich die Schnecken-Polygonmodelle eingebaut. Reine Spekulation meinerseits, aber die Welt der Lizenzspiele bleibt letzten Endes doch eine unergründliche.

Turbo: Super Stunt Squad
Der Film hat eine ideale Vorlage für ein absurdes, witziges Rennspiel gegeben, aber stattdessen kommt es zu diesem uninteressanten Stuntspiel, das schlicht kaum Spaß macht. Rasende Schnecken in High Speed-Rennen! Ich finde die Idee immer noch witzig. Den Auftraggebern für dieses Lizenzspiel war sie aber wohl nicht lustig genug.
1Gesamtwertung