Es gibt eine ganze Reihe unheimlich misslungener Videospiel-Verfilmungen, aber fast noch ein wenig schlimmer sind Unterhaltungsfilme, die versuchen Gamer zu porträtieren. Die Ergebnisse sind meistens peinlich, wie man beispielsweise an Stay Alive sehen kann. Das Problem ist dabei weniger, dass die Gamer überzogen dargestellt werden, sondern das es nicht als solches erkennbar gemacht wird. Filme, die die Seele eines Spiels begriffen und auf sein Medium transportiert hat, gibt es leider wenige. Als gelungene Verfilmung eines Stoffes wäre beispielsweise der erste Silent Hill-Film zu nennen; als sinnvolle Einbindung das Drama Reign over me und als Interpretation einer ganzen Kultur Scott Pilgrim, auch wenn die Comics die entsprechenden Vorlagen boten. Seit letztem Jahr kann man auch Video Game High School hinzu zählen, ein Webserien-Projekt eines ambitionierten jungen Teams rund um Freddie Wong. Freddie ist VFX-Artist und hat 2007 mit seinem Freund Brandon Laatsch begonnen in kurzen Youtube-Clips Spiele zu parodieren und auf einem Begleitkanal die Umsetzung der Effekte erklärt. Mit großem Erfolg: Die beiden Kanäle haben unglaubliche Abrufzahlen und die Jungs verdienen durch die Youtube-Partnerschaft erheblich an den Werbeeinnahmen. Als VGHS auf Kickstarter vorgestellt wurde, konnten 270.000 Dollar eingenommen werden. Fast könnte man die Youtube-Kanäle als jahrelange Vorbereitung für das Projekt sehen: Der Werbeeffekt durch die vorangegangenen Videos war selbstverständlich enorm und das Team konnte zudem die Erfahrung aus den Sketches in das Großprojekt mitnehmen. Eine zweite Staffel konnte erfolgreich auf Kickstarter etabliert werden. VGHS erzählt in insgesamt 9 Episoden die klassische Geschichte eines Underdogs, der sich seinen Traum erfüllen kann und auf eine angesehene Hochschule kommt. Dort muss er trotz enormen Widerstand seine Sporen verdienen. Natürlich verliebt er sich. Natürlich muss er um Respekt kämpfen. Und natürlich gelingt ihm dies, ohne dass er seine Sympatien verliert und am Ende sogar noch etwas über das Leben gelernt hat. Ja, es ist aus dem buntesten Kapitel des Dramaturgie-Einmaleins-Bilderbuch gegriffen. Dennoch ist es aus zwei Gründen unbedingt sehenswert: Zum einen den Mut zum Absurden. Obwohl die Geschichte im Kern relativ konventionell strukturiert ist, wird eine verrückte Welt gezeichnet, in der Videospiele zum Massensport #1 geworden sind. Vorbei sind die Zeiten, in denen so mancher sich für sein Hobby schämen muss. Wer gut spielt, spielt in den oberen Rängen des Lebens mit. Und so manche Klischees sind völlig normal geworden: So zieht an einer Stelle ein Nebencharakter eine Fertigpizza aus einem Automaten und verspeist sie völlig selbstverständlich zum Frühstück. Auf Parties gibt es keine Trinkwettbewerbe mehr, sondern Autorennen an Arcade-Automaten. In dieser Welt ist es sogar möglich innerhalb eines Tages vom Tellerwäscher zum erfolgreichen Geschäftsführer aufzusteigen – fast so, als hätte man 24 Stunden lang eine Wirtschaftssimulation gespielt. Der zweite Grund: Die unverkrampfte, selbstironische Art und Weise, wie die Serie mit seinen Handlungselementen umgeht, ohne sie unter Wert zu verkaufen, ist eine Wonne! In den Dialogen, der Bildgestaltung, der Montage, als auch selbstredend in der Handlung selbst sind unzählige Verweise auf Filmgeschichte und Videospiele vorhanden. Manchmal konnten die Autoren sich auch Seitenhiebe auf die Spielepresse nicht verkneifen. Glücklicherweise vernachlässigt die Serie die gängigen Actionfilm-Gepflogenheiten der Ego-Shooter-Schlachten – die Hauptdisziplin des Underdogs – zugunsten von Gags und der Handlung. Wer diese Spiele aber selbst gerne spielt, freut sich über die lustigen Umsetzungen gängiger Spielsituationen in Clan-Sitzungen; beispielsweise wenn der Teamleader AFK ist, aber vergessen hat sein Mikrofon auszuschalten. Die moralische Frage von Ballereien beantwortet der Editor in souveränen Parallelmontagen, die Realität und Spiel klar voneinander trennen. Sicher, es ist bemerkbar, dass hier ein sehr junges Team gearbeitet hat. Manchmal sind die Schauspielerleistungen etwas unbeholfen und ab und zu schleichen sich weniger gelungene Bilder ein. Das macht aber nichts. Die Energie, mit der die Crew gearbeitet hat, ist trotzdem in jeder Einstellung spürbar. Diese Leidenschaft habe ich zuletzt bei Indie Game – The Movie wahrgenommen. Als Filmstudent ziehe ich vor beiden grundsätzlich verschiedenen Projekten, die aus geringen Mitteln viel herausgeholt haben, meinen Hut.