Videospiele haben sich in den letzten zehn Jahren massiv verändert. Es gibt den offensichtlichen technischen Sprung nach Vorne, als auch viele Designänderungen in den Spielprinzipien. Mit Ihnen hat sich auch die gesamte Kultur gewandelt. Waren Videospiele in den Neunzigern trotz der Erfolge von Nintendo und SEGA zumindest in Deutschland in den Köpfen des Hoi Polloi noch eher Spielzeug, wurden sie ab der Jahrtausendwende wenigstens als Zeitverschwendung registriert. Daraus wurde im Laufe der Jahre aber mehr. Videospielästhetiken beeinflussten immer stärker andere Medienbereiche; das Mainstreampublikum war vor allem seit dem Kinofilm Matrix – zusammengesetzt aus Versatzstücken von Anime und Games – etwas vertrauter mit den Phänomenen. Und dann kamen schließlich die Smartphones, die mit ihren großen Touch-Bildschirmen zum Zocken bestens geeignet sind. Eine neue Generation von Spielern wuchs heran. Solche, die nicht unbedingt Level Schlagmichtot in World of Fantasyirgendwas erreichen wollen, sondern die in den Pausen ein paar Vögel durch die Botanik schleudern oder sich Geschenke in Facebook zuschieben. Einige von Ihnen gewinnen dadurch Interesse an komplexeren Spielen. Schöne Sache also.

Neue Generationen sind auch an anderen Fronten entstanden. World of Fantasyirgendwas ist nur einer von unzählbaren Online-Rollenspielen, die so vor einigen Jahren aus technischen Gründen nicht möglich gewesen wären und ganze Gilden, deren Mitglieder sich teilweise im echten Leben noch nie gesehen haben, treffen sich zu unmöglichen Uhrzeiten um für einen bahnbrechenden Raid ihr Sozialleben zum Teufel zu jagen. Online-Gaming hat sich im Allgemeinen stark verändert: Kooperative Spiele über das Internet sind nun ohne Probleme auf jeder Heimkonsole möglich und man kann im Prinzip mit jedem Menschen spielen, der einen Account in den hiesigen Konsolen-Netzwerken hat. Und Indie-Games! Eine ganze Kultur scharrt sich um sie, erhebt sie zur Gegenbewegung zu den großen Spieletiteln und ist besonders gut darin sich selbst zu feiern. Was gut ist. So merken wir überhaupt, dass sie da sind. Und wer von großen wie kleinen Spielen zu neuen Ideen inspiriert wird, kann zu Modding-Tools greifen oder zumindest erste Schritte in Titeln wie „Little Big Planet“ oder „Trackmania“ unternehmen.

Die gesamte Spielewelt ist also großartiger wie nie zuvor. Klingt doch fantastisch, oder?
Von wegen!

Ich steige eine Stufe auf der Niveau-Leiter herunter

Zu den oben genannten Errungenschaften hat sich leider eine weitere Gruppe, nein, sogar Generation gebildet: Die der Spieler, die nur meckern, motzen, zetern, zertreten, zerstampfen, miesmachen, rumkotzen, klugscheißen und nur jedes Detail hassen, was sie nur hassen können. Kurz: Eine Generation von Arschgeigen. Das Internet nennt sie auch Hater. Oder Trolle. Der Übergang zwischen beiden ist fließend. Arschgeige ist aber ein Begriff, der mir in dem Zusammenhang schneller von der Zunge geht und für mich in einem Ensemble sinnbildlich perfekt passt: Der Typ, der in der hintersten Reihe sitzt und nicht einmal richtig musizieren kann. Alle sind d’accord’, nur einer spielt schief. Weil er nicht anders kann. Oder absichtlich.

Ich spreche von der Generation von Leuten, die sich in den Kommentarfeldern der Blogs und Magazinen des Internets tummeln und sich dort nicht nur mit voller Absicht verbale Kriege mit unnötig scharfen Angriffen liefern, sondern die auch innerhalb von Minuten auf neu gepostete Beiträge reagieren. Als würden sie wie Geier über der Tastatur kreisen. Gierig, auf das nächste Opfer wartend. Ich spreche von der Generation, die schon bei Vorankündigungen zu Spielen, die noch nicht einmal erschienen sind, bereits mit dem Hasskiefer knirschen und den Untergang der Gaming-Industrie propagieren. Und wenn sie in einer Sache richtig gut sind, dann in der Diffamierung einzelner Personen oder ganzer Gemeinschaften. Die Wortwahl kann dabei durchaus geschickt sein, denn die Missgunst und der Unmut scheint ihre Gehirnzellen mit Kreativität zu überfluten. Auf blumigste Weise, in den verschachtelsten Sätzen, mit den ausgefallensten Vokabeln: Immer drauf. Und zwar fest!

Ich möchte ein paar Beispiele nennen. Etwa die Missgunst gegenüber Notch, dem Erfinder von Minecraft. Sein Spiel ist zu einem Phänomenen geworden und der gute Mann mittlerweile reich. Der Erfolg wird ihm aber von den Arschgeigen nicht gegönnt. Auf Kotaku wurde ein Blogeintrag gepostet, in dem ein paar Bilder von seinem aufwendig gestaltenen Büro zu sehen sind. Es vergehen nur wenige Minuten, schon werden in den Kommentaren die Stimmen laut.

Anyone else suddenly feel…weird, I guess is the best way to put it…about owning a copy? (NightmareAsylum)

Oder …

God damn, there are very few people who can pull off that hat, and Notch is NOT one of them. Overall awesome guy, but holy shit I want to take that hat off and stomp on it. (williagr)

Und diese waren noch freundlich ausgedrückt. Hier hat Notch offenbar etwas getan, was seinem Indie-Image – oder zumindest das Phantombild von dem, was Anhänger der Szene ihm angeheftet haben – massiv geschadet hat. You´re not indie? Fuck you! Aber warum darf der Mann keinen schöneren, größeren Arbeitsplatz haben? Wer wünscht sich diesen nicht? Er hat das Glück sich diesen Wunsch erfüllen zu können; die Vorstellung, ein einsamer Indie-Entwickler würde die Millionen auf seinem Konto häufen, während er im dunklen Kämmerlein geduckt Code in die Tastatur tippt, ist völlig absurd. Neid spielt da vermutlich eine Rolle.

und noch eine Stufe tiefer

Ein weiteres Beispiel: Resident Evil 6. Capcom hat mit diesem Projekt die endgültige Eroberung des westlichen Marktes angestrebt und ungemein hohe finanzielle und personelle Bemühungen aufgebraucht, um dieses Ziel zu erreichen. Das hat aus verschiedenen Gründen nicht ganz hingehauen. Zu viele Köche verderben den Brei. Aus dem intersubjektiven Blinkwinkel ist Resident Evil 6 trotzdem ein unterhaltsames Spiel für Freunde von Actionspielen.
Generation Arschgeige ist das egal. Im Gegenteil: Sie weiß, dass das Spiel scheiße ist, ohne es selbst gespielt haben zu müssen.
Der erste Trailer erscheint. Es wurde viel Action gezeigt. Die Ankündigung der Produzenten, der neuste Ableger der Serie würde sich Richtung Call of Duty orientieren, hat die Hater tief im Herzen nie glücklicher gemacht. Ohne auch nur einen Frame Gameplay zu sehen häufen sich die Kommentare alá: “Das wird das bekackteste Spiel aller Zeiten!”, “Der Meister des Survival Horror auf dem totalen Tiefpunkt!” oder “Wer will so einen japanischen Vollschrott spielen?” Surft mal unter die Kommentare von Previews. Da steht es. Fast ausnahmslos auf allen Spieleseiten.
Der eigentliche Witz aber: Noch bevor der Normalbürger das Spiel erwerben kann, häufen sich schon viele Tage vor Release die negativen Userkritiken. Man liest interessiert genauer, und immer öfter kommt der Nebensatz “… ich habe bisher 2 Stunden gespielt …” . Oder es wird kleinlaut zwischen den Zeilen gebeichtet, nur die Demo gesehen zu haben.
Und doch wird sie losgetreten, die Welle der Erniedrigung, die nahezu identisch übertragbar auf andere Spiele ist, die eine Fanbase nicht überzeugen kann oder die einem gewissen Hype erlegen waren. Selbsternannte Spielekritiker feuern ihren Unmut über das Spiel in die Welt hinaus, mischen ihre in Prozentpunkten ausgedrückte Fanboy- oder Fangirl-Enttäuschung in den Metacritc-Score. Die Texte sind voller Wut, voller Anschuldigungen. Und das steckt an. Userkritiken und Kommentare unter Artikeln kennen dann tagelang nur Plus oder Minus. Keine Grauzonen mit differenzierten Meinungen dazwischen, sondern einfach nur “alles ist scheiße” oder “es ist das beste Spiel der Welt”. Die Minuszeichen der Generation Arschgeige überwiegen. Und leider wird nicht wie in der Mathematik daraus ein Plus.
Dass Resident Evil sich schon seit dem dritten Teil auf der Playstation, in dem Jill Valentine mit Maschinengewehr und Minirock gegen ein Monster mit Nazimantel und Raketenwerfer gekämpft hat, langsam aber zielgerecht auf einen interaktiven Actionfilm zu bewegt, scheint dabei aber völlig egal zu sein. Die Frage steht sogar im Raum, ob das den Hater überhaupt klar ist. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Spielserie hat vermutlich nie stattgefunden, eine Art “Bildung bis zum Gartenzaun”, die sich für Spiele wie “Recherche bis zum letzten Sequel” übersetzen lässt. Aber das spielt keine Rolle. Etwas schlecht zu finden, weil es andere tun, macht die Backen der Arschgeige schließlich runder. Da gibt es keinen Mut zu Kompromissen oder Bekenntnissen, solange harte Kritik bei ach-so-harten Kritikern die methodische Oberhand hat. Naja, es sei denn, es ist – wie gesagt – “das beste Spiel der Welt”.

Was sich bei Resident Evil 6 schon abzeichnete, wurde bei anderen Spieletiteln umso deutlicher: Die Arschgeigen haben Besitzansprüche. Erhebliche sogar. Im Frühjahr wurden wir Zeugen davon, wie Fans in einem unvergleichlichen Shitstorm “ihr” Ende “ihrer” Mass Effect-Trilogie umgestalten wollen. Leider gab Bioware nach. Aber es geht weiter: Die Körpermaße der weiblichen Kämpfer in Dead or Alive 5 wurden lebensnaher gestaltet als in ihren Vorgängern. Die Reaktion der Fans? Die Brüste von “ihrer” Kasumi sollen gefälligst größer sein und mehr wackeln! Oder Borderlands 2: Gearbox hat den Gewaltgrad etwas zurückgeschraubt, aber das war den Fans zuwider. Sie trommelten sich im offiziellen Forum zusammen und verlangten lauthals die Verschärfung von Splattereffekten in “ihrem” Borderlands. Die Liste der Beispiele lässt sich ellenlang fortführen.

Der vermittelte Eindruck ist dabei relativ eindeutig: Man scheint es diesen Menschen nicht recht machen zu können. Es ist eine immer fortwährende, eifrige Suche nach Kritikpunkten, bei der es absolut keine Rolle spielt, wie viele positive Aspekte überhaupt vorhanden sind. Selbst das gelungenste Spiel kann immer noch durch einen kleinen Ausrutscher in der Luft zerrissen werden. Die Redewendung “eine Mücke zum Elefanten machen” hat hier nie besser gepasst. Nicht ausgeschlossen, dass dies eine Art Beschäftigungstherapie ist, die in gewissen Kreisen für den nötigen Gesprächsstoff sorgt und eine Kompetenz vortäuscht, die vermutlich gar nicht vorhanden ist. Oder für genug Wirbel in den Kommentarfeldern. Als Nebeneffekt – und da mutmaße ich etwas – kommt Lob nach einer Zeit nur sehr schwer oder gar nicht mehr über die Lippen. Die Konzentration liegt so sehr auf der Fehlersuche, dass bei diesem Scheuklappenblick alles Gute aus dem Sichtfeld gerät.

noch ein paar Stufen

Woher kommt sie, die Generation Arschgeige? Man kommt nicht umhin nach Gründen zu suchen und in dem Punkt wird es schwer. Man kennt die Symptome, den allgemeinen negativen Tenor mit Anflug massiver Überheblichkeit, der durch die Kommentarzeilen, Blogs und manchmal sogar Kritikertexte weht. Aber die Ursachen?
Vielleicht ist dies ein Effekt des heutigen Konsumverhaltens. Die ungemeine, eigentlich überfordernde Vielfalt an Spielen, ach, an Medien generell führt vielleicht zum Meckern auf hohem Niveau. Schlechte Spiele, so wie es sie noch zu den ersten beiden Playstation-Generationen gab, sind heute unheimlich selten geworden. Heutige Spiele funktionieren. Sie sind spielbar, sehen im Regelfall mindestens annehmbar aus und haben die gängigsten Konventionen inne. Klar, es gibt Totalausfälle wie das unfassbare “Jumper” für die 360, und die genannten Eigenschaften schützen nicht davor, dass ein Spiel langweilig sein kann. Trotzdem ist der allgemeine Produktionslevel deutlich gestiegen. Kritik fußt daher immer stärker auf Details, auf Kleinigkeiten. Meinetwegen auf einzelne Aspekte. Die Texturen sind einen Tick zu schwammig? Zack, Punktabzug! Und weil die allermeisten Hersteller es mindestens überdurchschnittlich gut machen, tritt eine Gewöhnung ein. Schon wieder ein Deckungsshooter? Funktioniert zwar wie die anderen davor, aber: Das ist sowas von Post-Deckungsshooter! Wir haben schließlich schon alle anderen davor gespielt. Denn die Arschgeige ist nimmersatt und kann trotz hervortretender Adern auf der Stirn nicht die Neugier unterdrücken. Da kann Activision noch so kommerziell und EA noch so sehr Fließband sein: Klammheimlich wird dann vielleicht doch mal das eine oder andere Produkt vom Erzfeind gespielt. Psst, reden müssen wir darüber nicht. Wäre ja peinlich.

Vielleicht ist auch die Presse daran schuld. Das Konsumverhalten giert nach den neuesten und heißesten Scheiß, ein Blick nach hinten auf ältere gute Spiele könnte zum Stolpern führen und so wird jeder noch so kleine Newsschnipsel aufgesogen. Es ist wie damals auf dem Schulhof: Grüppchen werden gebildet, man möchte schließlich auch zu den coolen Leuten dazugehören, die nunmal Bescheid wissen. Schon gewusst? Resident Evil 6 ist total kacke. Ach, neee, hab ich doch schon vor Monaten gesagt.
Spielejournalisten – was für eine fürchterliche Bezeichnung – haben es nach meinem Eindruck ohnehin schwer Einzelaspekte zu loben. Kleine Fehler herauspicken, ja, darin sind sie gut. In einem Rennspiel stehen bleiben und die Bodentexturen beurteilen. Ganz nah an den Levelrand gehen, wo nix los ist, um mal zu sehen, ob da ja auch alles schön modelliert wurde. Oh, hat der NPC dort etwa seine Animation wiederholt? Ich stelle mich mal davor und warte 5 Min, um zu sehen, ob dies nochmal geschieht. Und wenn die Profi-Arschgeigen das machen, müssen die Nachwuchs-Arschgeigen da mitziehen. Das schärft schließlich den Blick für´s Wesentliche. Die Streitereien um 84% oder 85% können das Nitpicking gar nicht deutlicher beweisen. Viele solcher Diskussionen gibt es beispielsweise in den Kommentaren auf Online-Portalen diverser Print-Magazine; Redaktionen, die Nitpicker seit Jahren füttern, die ihnen wiederum sabbernd aus der Hand fressen. Die Profis geben schließlich die ausschlaggebenden Punkte vor, drucken sie schwarz auf weiß, und das wird von den Arschgeigen in überhöhter Form adaptiert. Selbstverständlich gibt es löbliche Ausnahmen, aber wenn prozentual geurteilt wird und Awards ab gewissen Grenzen vergeben werden: Meist ein ziemlich eindeutiges Indiz.

weitere Schritte nach unten

Vielleicht ist auch Twitter daran schuld. Zwischenheitlich ist dort ein seltsames Paralleluniversum entstanden, in denen Menschen darauf trainiert wurden, pointiert Statements zum Besten zu geben, in der Hoffung sie würden retweetet, gar favorisiert werden. Etwas kritisieren war schon immer einfach, in 140 Zeichen ist es sogar noch müheloser und reizvoller geworden. Obwohl man sich gegenseitig eigentlich gar nicht genauer kennt, entstehen individualisierte Kreise mit ähnlichen Interessen, die sich die Kalauer in dem weltweiten, missverstandenen Quasi-Chat mit “me, too”-Mentalität um die Ohren hauen. Die meisten Statusmeldungen haben nicht einmal für nähere Freunde einen besonderen Wert. Wer möchte wissen, was Daniel W. aus D. heute zum Frühstück gegessen hat? Wow, deine Bahn hatte wieder Verspätung? Wahnsinn! Und bitte erzähle mir mehr von deinen Socken! Dank Twitter haben First World-Problems endlich einen Kanal, der das Mitteilungsbedürfnis von Nichtigkeiten im hohem Maß stimuliert.
Wenn es dann zu Meinungsäußerungen kommt, dann ist die Beschränkung auf 140 Zeichen und die Anonymität geradezu ein Geschenk. So fällt nicht so schnell auf, dass man eigentlich nicht mehr als “finde ich gut” oder “finde ich nicht gut” zu sagen hat. Eine differenzierte Auseinandersetzung, vielleicht auch nur in drei- bis viermal mehr Zeichen, dass ist schon zu mühseelig; der Plattform entsprechend wenig handlich. Die gesamte Sexismus-Diskussion zum Beispiel hat durch die Beschränkungen bei Twitter eher zu Missverständnissen als zu Denkanstößen geführt. Und was den generellen Informationsgehalt betrifft: Es ist sicher kein Zufall, dass viele “Amazon-Rezessionen” einen ähnlichen Umfang besitzen.

Und da ist natürlich noch die “Alles umsonst”-Mentalität. Damit meine ich nicht die vielen Indie Bundles oder heruntergesetzte Spiele, denn schließlich hat nicht jeder einen Goldesel zuhause. Vielmehr wird der Informationsfluß durch das Internet als völlig selbstverständlich wahrgenommen. Täglich werden die neuesten Artikel und Podcasts in die Feedreader gespült, ohne dass genau hingeschaut wird, wer und unter welchen Umständen die Autoren die Formate produziert haben. Die Masse an Informationen ist sicher toll, das Filtern Aufgabe des Lesers, doch: Generation Arschgeige richtet den Unmut auch mal gerne gegen Spielejournalisten (schon wieder dieses Wort), macht aber keinen Unterschied zwischen Personen, die dies beruflich oder privat betreiben. Der Text oder der Podcast, der so fertig vor dem Hater auf der Schlachtbank liegt, ist nun einmal da, gefesselt und bereit zerstückelt zu werden. Man würde nie selbst für so ein Prachtstück, für so viel Fleisch jagen gehen, aber hey: Auch hier ist es wieder einfacher, einfach draufzuhacken. Ich habe sehr deutlich das Bild vor Augen, wie zwischen dem Zappen der TV-Kanäle das Ipad hervorgekramt, ein Artikel gelesen und in der Werbepause ein vernichtender Zweizeiler daruntergerotzt wird. Blog, kommerzielles Portal, werbefinanziert? Spielt keine Rolle, wir machen keine Gefangenen. Ein Klischee-Bild aus einem Cartoon? Lest Twitter. Jene Personen dokumentieren es sogar stellenweise selbst. Arschgeigen holen sich dort die Anerkennung auf dem Schulhof.[1]

Ein besonderer Witz an der Sache, der mich als Blogger betrifft: Für die Arschgeige spielt keine Rolle, ob ich dies beruflich mache oder nicht. Das regelmäßige Erscheinen von Podcasts, die in der Freizeit von den entsprechenden Autoren entwickelt werden, stehen im Feedreader neben den Publikationen, die klar kommerziell betrieben werden. Das klingt zunächst wie ein Lob, untermauert aber eigentlich, wie scheißegal es gewissen Personen ist. Getreu dem Motto „wer sich auf die Bühne stellt, muss auch einstecken können“ werden Freizeit-Veröffentlichungen genauso schlecht (im positiven Fall genauso gut) behandelt. Niemand sollte bevorzugt werden, wenn er privat Artikel oder Podcasts produziert. Ein schlechter Text bleibt schlecht, ein schlechtes Video ist nicht sehenswert und ein schlechter Audiopodcast weiterhin Zeitverschwendung. Aber ein Blog steht unter einem anderem professionellem Maßstab als eine kommerzielle Produktion. Der Arschgeige ist das aber völlig gleichgültig. Unterschiedliche Ansprüche spielen da keine Rolle, da eine ehrliche Erwartungshaltung mit zunehmender Gewohnheit eine immer größer werdende Unwahrscheinlichkeit hat. Am Ende ist es der Text im Feedreader, und der sieht formal erst einmal so aus wie jeder andere auch.[2]

Auf der untersten Stufe. Auf Augenhöhe.

Ist es eine allgemeine Unzufriedenheit? Ist dies alles nur ein Gesamteindruck, der daher rührt, dass Menschen sich vor allem dann zu Wort melden, wenn es etwas zu meckern gibt? Neigen Menschen zunächst einmal zur Extreme und relativieren ihre Aussagen erst, wenn man sie damit konfrontiert, getreu dem Motto: So meinte ich das doch gar nicht?
Ich werde aus dem ganzen nicht wirklich schlau, ich kann nur ganz subjektiv sagen: Den Tenor, die Mentalität, die von der beschriebenen Menschengruppe ausgeht, kotzt mich regelrecht an. Es geht um Himmels Willen nicht darum alles nur mit der rosa Brille zu sehen. Es geht auch nicht darum jemanden den Mund zu verbieten oder ihm nicht seinen Geschmack zu lassen. Nein, es geht nur um diese schreckliche Hater-Kultur, die erst durch das Internet so richtig Plattform gewonnen hat und alle möglichen Medienbereiche infiltriert. Sie kennt keinen Respekt, sie hinterfragt nicht, sie ist sich selbst am wichtigsten und obwohl sie nicht viel zu sagen hat, will sie am meisten auffallen.

Hier bin ich also, auf der letzten aller Treppenstufen der Missgunst. Ich bin sprachlich von Abschnitt zu Abschnitt immer einen Schritt herabgestiegen. Meine Argumentationen wurden waghalsiger, es ging mehr und mehr um das Bauchgefühl. Ich atme in diesem Augenblick die Luft der Hater und Trolle, und stelle mit Erschrecken fest, dass ich sie ebenso gut inhalieren kann wie dort oben am anderen Ende. Es ist nicht schwer die Treppe hinab zu steigen und hier unten eine Weile zu leben. Weitaus schwieriger dürfte es sein, sie wieder zu erklimmen.[3][4]

  1. [1]Ich möchte diesen Teil ungern mit Beispielen belegen, da man dort einzelne Twitter-Accounts und somit Personen direkt anspricht. Das ist zu persönlich. Aber ich bin mir sicher, ihr wisst, was ich meine.
  2. [2]Ich möchte keinesfalls wehleidig klingen. Aber das erfährt man als Blogger bzw. über bloggende Kollegen nunmal aus erster Hand.
  3. [3]Lesenswert in diesem Zusammenhang ist übrigens der Artikel von Rainer drüben bei Videogametoursim mit dem klangvollen Titel „Arschlochgamer
  4. [4]Bei Superlevel.de bzw. Insert Moin habe ich das Thema zusammen mit Florian von Metal Hammer auch noch einmal aufgegriffen.