Es mag schon leicht pervers anklingen, aber nach Jahren der Ego Shooter im modernen Kriegssetting, wünschte ich mir schon regelrecht einen 2. Weltkriegsshooter. Die Sniper Elite Reihe lief dagegen eher unter meinem Radar. Das änderte sich nun mit Teil 3. In diesem schlüpft man in die Rolle eines alliierten Scharfschützen (Karl Fairbourne. Musste ich gerade nachschlagen, so einen Impact hat er) zum Zeitpunkt des Afrika-Feldzugs. Das Szenario machte mich neugierig, verbinde ich Präzisionsschützen im WK 2 eher mit urbanen Terrain Mitteleuropas, als mit den Steppen und Wüsten Afrikas.

Down there…is Africa

Nichtsdestotrotz bietet das Spiel genügend Möglichkeiten, um sich ungesehen voran schleichen zu können. Die Karten sind angenehm groß und bieten allerhand Möglichkeiten, das jeweilige Missionsziel zu erreichen. Das kann entweder die Zerstörung von 8,8cm Kanonen bedeuten, die Befreiung von Kriegsgefangenen oder die Beseitigung deutscher Generäle. Zwischen Missionsanfang und –ende stehen einem aber viele abzweigende Nebenmissionen, welche optional angegangen werden können, meistens sogar einen Tacken interessanter Klingen. Wagt man es, die Besatzung von 2 Überwachungstürmen auszuschalten, damit man es später einfacher hat? Zerstört man die Nebelwerfer, obwohl man danach keine übertönenden Geräusche für sichere Schüsse mehr hat? Hier gilt es abzuwägen. Das hatte mir gut gefallen. Auch, dass sich diese Nebenmissionen vorher nicht feststehen, sondern man eher zufällig über sie stolpert, wie in einem realen Einsatz, hat mich angesprochen. Man hat nicht nur ein Scharfschützengewehr am Mann, sondern auch noch Utensilien, wie Stolperminen, Maschinenpistole und eine schallgedämpfte Pistole. Letztere schließt man sehr schnell ins Herz, da man damit schon relativ leicht durch engere Areale pirschen kann, so lange man genügend Munition und eine ruhige Hand für Kopfschüsse hat. Die Charaktere, die Story und das Setting sind alles aber natürlich nicht Hauptverkaufspunkte von Sniper Elite 3.

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Schütze Röntgenblick

Die X Ray Cam ist wohl der primäre Punkt. Wobei Punkt wohl etwas zu leicht ist. Ausrufezeichen passt schon eher.Bei erfolgreichem Abschuss folgt das Spiel dem Projektil bis zum Einschlag in Kopf, Lunge, Herz oder Hoden. Ja, es gibt auch Hodentreffer und ich schwöre bei Gott, ich habe nicht absichtlich auf diese Stelle gezielt. Vielmehr habe ich aus erhöhter Position auf kauernde Gegner geschossen und dabei wohl etwas zu Tief gezielt. 2-mal hintereinander. Kurz vor Eintritt der Kugel auf jeden Fall, schaltet das Spiel um in den Röntgenmodus und man sieht Muskeln, Augäpfel und Organe des Antagonisten. Und wie sich die Kugel nahezu genüsslich ihren Weg in und durch den Körper bahnt und dabei Knochen, Köpfe und Organe spaltet. Ein anderes Spiel hatte in der neunten Auflage ein ähnliches Feature, EhmKay. Jeder so dargestellte Kill ruft ein komisches, zwiespältiges Gefühl hervor. Ein Gefühl zwischen diebischem HELL YEAH und nem angeekelten BÄÄÄH. Zugegeben, in mir hat es auch eine gewisse Art von Bestätigung ausgelöst, eben als „krönender“ Abschluss eines geplanten Schuss, nachdem man sich sein Ziel minutenlang zu Recht gelegt hat. Daran merkt man auch, dass die Damen und Herren von Rebellion nie zimperlich sind, wenn es um die Gewaltdarstellung geht. Mich wundert es aber schon etwas, wie das Spiel ungeschnitten in Deutschland erscheinen konnte. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, ist es nur überraschend für mich. Hängt vielleicht damit zusammen, dass die Leichen keine Schussmerkmale aufweisen. Da explodiert in der Kill Cam ein Schädel in zich Einzelteile, davon anschließend sehen tut man nicht. Wird ein Gegner von einer Nahen Explosion getötet, sieht es auch nur eher so aus, als ob er einen Flecktarnanzug trägt, mit roten Klecksen überall.

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Ladehemmer

Leider ist das auch schon fast alles Bemerkenswerte an Sniper Elite 3. Ich will damit nicht sagen, dass es schlecht ist, auf keinen Fall. Im Gegenteil, ich fand es mal erfrischend, ein gesamtes Spiel als Sniper durchzuspielen, war und ist es für mich doch eher ein rotes Tuch, das digitale Scharfschützenleben. Wenn ich früher auf LAN Partys mit Freunden schallendes Gelächter aus dem Nachbarzimmer hörte, hatte ich meistens ein Scharfschützengewehr ausgewählt und übte mich darin, knapp vorbeizuschießen. Auch bei Battlefield 4 habe ich bisher immer schön die Finger davon gelassen und mich lieber mit ner Assault Rifle ins Getümmel gestürzt. Technisch findet man noch viele Ungereimtheiten und Kleinigkeiten, die nicht so recht ins Bild passen. Strunzdumme K.I., Glitches und Grafikfehler geben sich die Klinke in die Hand (wovon anscheinend die PS4 Version stärker befallen ist). Ein Save Game ward für mich sogar gänzlich verloren, weil mein Charakter jedes Mal für den Levelboden fiel, sobald ich den Speicherstand lud. Die Story…naja, sie schlägt sich so semi-wacker. Es geht um eine Nazisuperwaffe, die sogar halbwegs in der Realität verankert ist: Einen 1.000 Tonnen schweren Megapanzer, der ein wenig an den Mammutpanzer aus Command & Conquer erinnert und auf den Codenamen „Ratte“ hört.

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Halbgar an der Wirklichkeit

In Wirklichkeit wurde an einem überschweren Panzer (188 Tonnen schwer) gearbeitet (2 Prototypen wurden fertig gestellt), der den Decknamen „Maus“ trug (nachdem der Name „Mammut“ verworfen wurde). Dass es im Spiel dann natürlich gleich Eintausend Tonnen sein müssen – naja. Der Hauptcharakter bleibt erwartungsgemäß blass. Wie gesagt, den Namen musste ich nachschlagen und auch sonst bleibt es halt der typische einsame Wolf Charakter, der nicht spricht, sondern nur grummelt. Trotzdem hatte mich das Spiel wenigstens soweit eingenommen, dass ich manche Abschnitte neu geladen hab, um diesen besser abzuschließen. Wer aber über all die Fehler hinwegsehen kann, kriegt ein noch gutes Spiel, welches, am besten in mehreren Dosen gespielt, zu unterhalten weiß und für launige Erwachsenenaction ohne Anspruch sorgt. Man sollte aber wirklich etwas Frustresistent sein, da manche Bugs ein Ableben nach sich ziehen. Der Day One Fassung lag noch der DLC „Der Graue Wolf“ bei, worin man den Führer (bzw. sein Double) erledigen muss. Das ganze kann man auf 7 verschiedene Arten und Weisen machen, was zum Mehrfachspielen einlädt, bzw mehrmaliges Laden des letzten Speicherpunktes.

Sniper Elite 3
Netter Taktikshooter, der durch seine brutale Röntgen Kamera für Aufsehen sorgt. Kann man mögen, muss man aber nicht. Insgesamt aber übern Durchschnitt und gut spielbar, für Erwachsene.

6Gesamtwertung