Unverschämt, diese Leute von SEGA! Es passierte im letzten Quartal 2012: Da hatte man sich gerade einen Überblick über alle Neuerscheinungen verschafft und war sich sicher bis zum Rest des Jahres den gesamten Podcast-Sendeplan und Artikel-Flow schon quasi im Kasten zu haben – da kommt dieser Laden einfach so daher und haut salopp gleich mal zwei Klassiker raus, bei dem man als alter Spielhase große Augen bekommt und vor lauter Flash in seiner Artikulation auf Primatenniveau heruntergestuft wird. Sega. Früher. Muss. Spielen. Jugend. Sabber. Gut gemacht! Ganz toll!!! Argh! Den einen von beiden, Sonic Adventure 2, könnte ich in ein paar Sätzen beschreiben (eigentlich reicht ein Wort: Geil!), bei dem anderen Titel muss ich zugeben, dass ich es damals wie heute nie richtig begriffen habe. Nein, nicht was das Spielprinzip betrifft, sondern eher, was eigentlich den Reiz dieses ungewöhnlichen Titels ausmacht. NIGHTS Into Dreams ist nämlich ein ganz seltener Fall in der Welt der Videospiele: Es ist ein völlig einzigartiges Spiel, dass mitsamt seiner Fortsetzung auf der Wii nie von einem anderem Titel kopiert worden ist und sich auch heute noch vor sämtlichen Genrekonventionen sträubt. Fliegen lernen Man spielt die beiden Kinder Caris und Elliot, die die nur über Träume betretbare Welt Nightopia vor bösen Alptraumkreaturen retten müssen. Zur Seite steht ihnen der Flugakrobat Nights, eine Art lilafarbener Peter Pan. Naja, zumindest halbwegs, denn Nights ist androgyn gestaltet und seine Hintergründe bleiben mysteriös, aber er kann durch die Kraft von Träumen fliegen wie ein Weltmeister und bietet den Kindern zudem einen Orientierungspunkt in dieser irre verwirrenden Umgebung: Seen befinden sich hier an der Decke, wilde Achterbahnkonstruktionen verzieren die Landschaft und als „irgendwas“ beschreibbare Wesen durchstreifen das Land. Freund und Feind sind nicht immer wirklich zu unterscheiden, so sehen zum Beispiel manche Endbosse gar nicht so böse aus. In einer Situation schleudert Nights eine kugelrunde Opernsängerin wie einen Ball durch die Kulisse – die dabei aber unentwegt grinst, als würde es ihr Freude bereiten. Das Spielprinzip bleibt in den mannigfaltigen Umgebungen – von Eislandschaften bis zu Psychotrips mit bunten Farben ist alles dabei – stets gleich: Man steuert einen der Kinder und ist zunächst per Pedes unterwegs. In diesem Modus fühlt sich das Spiel wie ein stark gehemmter 3D-Plattformer an, bei dem man außer springen und Orbs einsammeln nicht viel tun kann. Letzteres ist allerdings wichtig und symbolisieren besagte Traumenergie. Hat man genug davon gesammelt, kann man an einem … sagen wir … Pavillon die Figur zu Nights wechseln. Schlagartig ändern sich Steuerung und Spielprinzip: Man steuert den Lilialaunemann in butterweicher Kontrolle auf vorgegebenen 2,5 D-Routen durch die Szenerie, fliegt dabei durch Ringe, sammelt noch mehr Orbs ein und zerstört Alptraummaschienen, die dann Stück für Stück neue Routen freischalten. Trödelt man zuviel rum und verliert während der Passagen zuviel Traumenergie, stürzt man ab und ist wieder zu Fuß unterwegs. Diese Prozedur wiederholt sich, bis der Level abgeschlossen ist und ein Bosskampf bestritten werden muss. eine Frage des Flows Klingt merkwürdig? Ist es auch. Die ersten Minuten mit NIGHTS Into Dreams sind eine Studie in Sachen Verwirrung. Dabei ist die superfröhliche 90er Videospielmusik und die knallbunte Ästhetik auch nicht besonders hilfreich. Doch ist man erst einmal in diesen Flow gekommen, lässt das Spiel so schnell nicht mehr los. Team Sonic-typisch kann man das Spiel auch mit Fokus auf eine gute Performance spielen und bewertet sämtliche Aktionen und Zeiten mit Punkten und Endnoten. So lernt man nach und nach die Flugrouten optimal zu nutzen, alle Ringe in Windeseile und ohne Fehler zu durchfliegen und nebenher noch den einen oder anderen Gegner wegzuhauen. In diesem Sinne hat NIGHTS Intro Dreams viel mit Sonic gemein und wird auch schnell zum Rausch, da die Kamera sich eigenständig bewegt und oft die Perspektive variiert. Wusch, wir fliegen um die Kurve und nehmen gleich 10 Ringe mit, Wusch, die Kamera bewegt sich hinter Nights und er fliegt ins Bild hinein, taucht in eine Wasserhöhle und, wusch wusch, seine Beine verwandeln sich in eine Schwanzflosse, wooosch, wir durchfliegen weitere Ringe, wusch wusch, raus aus dem Wasser, wieder eine Kurve, die Kamera dreht sich, wir packen einen Gegner und schleudern ihn weg, woppeldiewopp, wir drücken die Turbotaste und Nights fliegt im Affenzahl auf ein Gerüst zu, Huiwui, er nutzt die Stange für einen Salto, wir drücken die Stunt-Taste, Nights macht eine Drehung, anschließend einen Looping und fliegt weiter. WOOOOSCH! NIGHTS Into DreamsDer Zahn der Zeit hat viele Klassiker schlecht altern lassen, dieser Sonderling hier ist aber damals wie heute auf merkwürdige Art faszinierend. Richtig begründen kann zumindest ich dies nicht; es ist eine Art anziehende Aura, die das Spiel zwischen seinen Bildzeilen versteckt und die viele alte Sega-Klassiker inne haben.8Gesamtwertung