„Lost Planet“ ist ein Science-Fiction-Shooter. Einer, in dem man sowohl zu Fuß, als auch mit kampfstarken Mechs unterwegs ist. Auf der Gegenseite des menschlichen Protagonisten stehen ebenfalls nebst Pilot stählerne Monster, aber auch solche aus Fleisch und Blut. Diese sind gigantisch, füllen teilweise das Vielfache des Bildschirms aus und lassen den virtuellen Boden – ein kaum bevölkerter Eisplanet irgendwann in der Zukunft – mit beängstigenden Kampflauten erzittern. Das Spielgeschehen ist ein geordnetes Chaos, ein wahres Durcheinander an Laserstrahlen, Projektilen, Explosionen und organischen Geschossen, die im Regelfall der eigenen Spielfigur gewidmet sind. Ja, das Spiel sieht zunächst aus wie ein reiner 3rd-Person-Shooter im Sci-Fi-Gewand, aber in Wirklichkeit ist „Lost Planet“ eine frustrierende Geduldsprobe. Bloß nicht stehenbleiben! Denn die insgesamt elf Level sind bockschwer und unerbittlich. Schon im ersten lernt man, dass die Devise „in Bewegung bleiben“ lautet: Ein nicht zu besiegendes, riesiges Ungetüm stampft wütend hinter dem Spieler her und reißt ganze Gebäude nieder. Wer auch nur kurz stehenbleibt, wird von einem der umherfliegenden Trümmer oder einem der tödlichen Angriffe des Monsters getroffen. Da es nicht in jedem Level einen solchen Nachwuchs-Godzilla geben kann, haben sich die Entwickler einen kleinen story- und gameplaytechnischen Kniff einfallen lassen, der den Spieler stehts zwingt, die Beine in die Hand zu nehmen. Da der Handlungsort des Spiels so kalt ist, dass alles innerhalb von wenigen Sekunden sofort gefriert, erhalten sich die Menschen mit der sog. Termalenergie am Leben[1]. Damit werden auch einige Waffen und sämtliche Mechs gespeist. Fies daran ist: Die Termalenergie sinkt kontinuierlich, je nach Verwendung schneller oder langsamer. Ist diese aufgebraucht, bedeutet dies den Tod der Spielfigur. Allerdings kann sie auch während des Geschehens aufgefüllt werden: Jeder erlegte Gegner hinterlässt je nach Größe entsprechend viel Energie, die aufgesammelt werden kann. So steht man unter ständigen Zeitdruck und muss sozusagen gezwungenermaßen Angriffe starten, um am Leben zu bleiben. Wie effektiv dieser kleine Kniff ist, merkt der Spieler erst, wenn zum ersten Mal die Anzeige für diese Lebensversicherung rot aufleuchtet und er sich panisch nach neuen Gegnern umschaut. Die Termalenergie sinkt schneller, als den meisten Spielern lieb sein wird. Was den Schwierigkeitsgrad betrifft, so ist „Lost Planet“ mehr hart, als fair. Wird unser Protagonist von einem Geschoss getroffen, wird dieser zu Boden geworden und wir verlieren für rund drei Sekunden die Kontrolle. Das ist fatal, wenn es vor Gegnern nur so wimmelt. Die schießen selbstverständlich alle gleichzeitig und vor allem noch während unsere Figur aufsteht. Und so wird man schon – ohne ausweichen zu können – erneut von irgendetwas getroffen und wieder irgendwo hin geschleudert. Weniger erfahrene Videospieler werden da schnell frustriert sein, während das Triumpfgefühl des gestählten, jahrelangen Actiongamers bei Erfolg umso größer sein wird. Auf die Schulter klopfen kann sich dieser vor allem nach jedem der Zwischen- und Endgegner. Meist sind dies besonders kolossale Versionen der Standartmonster, manchmal aber auch besonders geschickte menschliche Piloten mit ihren Mechs. Jeder Boss verlangt hohe Konzentration und Durchhaltevermögen – mehr, als die meisten Gamer vermutlich haben werden. Showtime! Ein einfacher Shooter mit hohem Schwierigkeitsgrad also? Ja, und einer, der eine ziemlich beeindruckende Show auf dem Bildschirm abzieht. Was immer auch gerade geschieht, es klingt verdammt gut und sieht sogar noch besser aus. Der feine Unterschied zu anderen Spielen ist allerdings, dass die Effektpalette sehr gezielt auf einzelne Bestandteile angewendet wurde, anstatt sie wahllos ineinanderzuwürfeln. So trägt jede wuchtige Explosion, jede Erschütterung, jeder aufgewirbelte Schnee und jede noch so kleine Animation zum ständigen Adrenalinschub bei, anstatt den ohnehin schon angespannten Spieler noch stärker zu verwirren. Einen besonderen Moment erreicht das Spiel jedesmal, wenn einer der vielen Mechs bestiegen wird: Die Motoren werden angeworfen, das Getriebe stemmt das schwere Gerät auf seine Beine, die Elektronenkreise werden gespeist – fast so, als würde man den Zündschlüssel eines PS-starken Sportwagens umdrehen. In der Realität dreht man den Motor dann ordentlich auf und lässt sich von dem röhrenden Motorengeräusch berauschen; in „Lost Planet“ drückt man auf den Abzug und lässt die Waffen sprechen. Besonders interessant: Der Unterschied zwischen den verschiedenen Mechtypen ist nicht nur visuell auszumachen, sondern auch anhand der Vibration des Controllers. Auf subtile Weise kann man schon anhand der Stärke und des Rhythmus allein die Roboter unterscheiden. Die tolle audiovisuelle Präsentation hat „Lost Planet“ bitter nötig, denn die Geschichte ist nicht der Grund, weshalb man weiterspielen möchte. Die Handlung um zwei menschliche Parteien, die auf unterschiedliche Art versuchen Terraforming auf besagten, von Monstern bewohnten Eisplaneten zu realisieren, behandelt zwar viele persönliche Beweggründe der Hauptcharaktere, wie etwa Rache, Selbstzweifel oder Loyalität. Dennoch: Obwohl das virtuelle Schauspiel vor allem durch die gute Vertonung an sich relativ überzeugend wirken könnte, sind die Dialoge weitesgehend schlecht geschrieben. Die Inszenierung ist ebenso erschreckend belanglos ausgefallen. Bei den Zwischensequenzen hat man oft den Eindruck, die Story würde auf einer leeren Theaterbühne weitergeführt werden, ohne den Handlungsort – den eisigen Planeten – aktiv in die Szenen einzubinden. Das Design der Charaktere ist gut ausgearbeitet, aber deren Entwicklung im Fortlauf der Handlung ist leider sehr eindimensional ausgefallen. Dramaturgisch ist das Spiel also relativ mies, was angesichts des gelungenen Art Designs schon fast verwunderlich ist. Der Single-Player-Modus ist aber ohnehin nur eine Art Aufwärmübung für das Multiplayer-Schlachtfeld. Mit dem gesamten Arsenal, dass man in den elf Levels für Eigenbrödler kennengelernt hat, kann man sich dort in den gängigen Spielvarianten mit Spielern aus aller Welt messen. Freilich setzt dort ein gutes Spielerlebnis eine entsprechende Gruppendymamik in den Teams voraus, aber dann mit Mechs und Funkanweisungen über Headset Schritt für Schritt die Karte zu erobern macht einen Heidenspaß. Nur nur, weil der Termalenergie-Kniff auch hier das Gameplay auf seine Art würzt. [1]Monster haben eine Art warmen Kern, weshalb diese in der Kälte nicht erfrieren. Weshalb allerdings sämtliche Charaktere vor allem in den Zwischensequenzen nichts vor dem Gesicht tragen, wird nicht beantwortet. Von dem Auschnitt der Dame, die auf dem Teaserbild zu sehen ist, wollen wir mal gar nicht reden. Ach ja, die liebe Logik …↩