Der Hype. Unendliche Opfer. Vorschusslorbeeren von voreiligen Redakteuren oder vollmundiger Versprechungen der Promotion sei Dank sind bereits viele Videospiele in den unerbittlichen Sog der Enttäuschung gezogen worden. Es gibt unfassbar viele Beispiele, etwa „Daikatana“, welches John Romeo letztendlich den Ruf gekostet hat. Oder „Angel of Darkness“, der wohl unrühmlichsten Episode aus dem abenteuerlichen Leben von Frau Croft. Aber wenn wir ehrlich sind, hat noch nie ein Spiel dem Hype standgehalten, der vorher wie Fegefeuer durch die Gamergemeinde gegangen ist. Selbst richtig gute Spiele haben nicht alle Versprechungen halten können. Wer erinnert sich noch daran, was für tolle Online-Features Molyneux für „Black & White“ versprochen hatte? Oder wie realitätsnah „Shenmue“ hätte werden sollen. Letzendlich wird der geneigte Gamer früher oder später lernen müssen: Don’t believe the hype. „Killzone“ ist so ein Spiel, dass schon lange vor der Veröffentlichung gehyped wurde. Und das aus vollen Rohren. Der beste Shooter für die PS2 sollte es werden. Ach was: Ein echter Halo-Killer, quasi der beste Konsolen-Shooter überhaupt. Nachdem das Ringthing mit dem Masterchief das Vorzeigegame für die X-Box wurde, sah sich Sony genötigt, auch einen Vorzeigeshooter für den eigenen schwarzen Türstopper aus der Taufe heben zu müssen. Denn exklusive Ego-Shooter, von denen die Gamer immer wieder gerne sprachen, gab es auf der Playstation nummero zwo leider nicht. Alles, was toll war, gab es auch für die X-Box. Und was für die Box toll war, nicht für die PS2. Das wäre kein Problem gewesen, wenn das Ego-Shooter-Genre nicht so verdammt beliebt gewesen wäre und auch heute noch so verdammt beliebt ist. Sony’s Daddelkiste hatte ansonsten in fast allen Bereichen Titel in Petto, die die X-Box-Pendants um haaresbreite schlugen. Von der schier unglaublichen Auswahl mal abgesehen. Halo-Killer minus Halo Es kam, wie es kommen musste: Als „Killzone“ in den Händlerregalen stand, wurde den Gamern schnell klar, dass das Spiel nicht das sein sollte, was vorher versprochen wurde. Nein, es war nicht der beste Konsolen-Shooter ever. Nein, es war nicht der langersehnte Halo-Killer. Kritikerstimmen äußerten sich dazu in Extremen: Die einen sprachen trotzdem von einem großartigem Spiel, die anderen von der herbsten Enttäuschung im Jahre 2004. Soweit zur Vorgeschichte. Nun ist einige Zeit vergangen. „Killzone“ hat es zwischenzeitlich in die Platinum-Kollektion[1] von Sony geschafft und wird mittlerweile zu sehr geringen Preisen auf dem Gebrauchtmarkt verscherbelt. Ein PSP-Ableger wurde programmiert, und zudem hat ein Trailer zum Nachfolger auf der PS3 die Gamerwelt nach allen Regeln des Hypes gecaptured. Es ist Krieg! Aber worum gehts? In der Zukunft herrscht ein Krieg zwischen den Menschen und den Helgast, einer abtrünningen Splitterpartei, die seit Generationen isoliert auf dem Planeten Helgan lebt, einem ehemaligen Außenposten des Kolonialreichs. Die Menschen waren so eifrig dabei, fremde Planeten zu besetzen, dass sie die atmösphärischen Anomalien auf Helgan übersahen. Die ersten Kinder der Kolonisten wurden mit Deformierungen geboren und erst über Jahre hinweg ist es den Helgast gelungen, Apparaturen und Techniken zu entwickeln, die das Überleben auf Helgan ermöglichten. Zurückgelassen in der Kälte dieser unwirtlichen Umgebung stieg nach und nach der Haß auf die Bewohner der Erde, der im erstem Helganischen Krieg gipfelte, aus dem die Erde erfolgreich hervorging. Bei dem bleibt es aber nicht. Zu dem Zeitpunkt, in dem der Spieler das Pad in die Hand nimmt, herrscht der zweite Helganische Krieg. Allerdings nicht auf dem Planeten Erde, sondern auf Vekta, der dem aber relativ ähnlich sieht. Übernommen wird die Rolle von vier Soldaten mit unterschiedlichen Fähigkeiten, von denen man sich zu Beginn eines jeden Abschnitts einen aussuchen darf. Die Auswahl des Charakters ist im Prinzip nur Augenwischerei: Ob man sich nun für den Assassin oder den normalen Soldaten entscheidet: Es bringt nur geringe Differenzen im Spielverlauf. Hier und da verzweigt sich der Weg der Gefährten, aber wirklich ausschlaggebend ist das nicht. Auch spielerisch ist „Killzone“ zunächst nur ein einfacher Shooter ohne große Extras. Das Gameplay funktioniert in den meisten Fällen nach dem Shoot & Cover-Prinzip[2], auf die Gegner trifft man wellenweise. Objectives laufen nach dem A-zu-B-Prinzip[3]. Fahrzeuge können nicht gefahren werden, dafür darf ab und zu mal ein Geschütz bemannt werden. Abschnitte gibt es elf. Waffen über zehn plus Granaten. Ergo: Ein 1st-Person-Shooter im Basisformat. Gestaltungsdifferenzen Interessanter Fakt zunächst: „Killzone“ ist gestalterisch meilenweit vom Master Chief entfernt. Wärend Halo in einem kunterbunten Sci-Fi-Universum angesiedelt ist, bei dem große Aliens grunzen[4] und ihre kleinen Freunde quieken[5], orientiert sich Guerilla’s Werk primär an den großen Kriegen unserer Zeit. Mit anderen Worten: Die Welt, in der „Killzone“ spielt, ist farbarm, dreckig und im großen und ganzen unangenehm. Die Szenarien, die man in der Single-Player-Kampange zu Gesicht bekommt, sind zwar zeitlich irgendwo in der Zukunft angesiedelt, aber sie erinnern etwa an Schützengräben des zweiten Weltkrieges oder an Dschungelkämpfe Vietnams. Die Konsequenz, mit der bei der Gestaltung vorgegangen wurde, ist beeindruckend. Kleine und Große Details zeichnen eine vom harten Krieg angeschlagene Welt. Städte sind nur noch Ruinen, einige Landstriche trostlos verwüstet. Überhaupt ist die Grafik für einen PS2-Titel großartig, auch wenn sie nicht selten mit heftigen Einbrüchen bei der Framerate zu kämpfen hat. Die bewusst trostlosen Farbtöne und die kleinen, aber feinen Effekte verleihen den ohnehin sehr detailreich gestalteten Levels das gewisse Etwas. Auftreibender Dampf vom Moorboden zum Beispiel. Oder schicker Regen, der sich wunderbar zur toll gestalteten Skybox hinzufügt. Bloom- oder Motion Blur-Effekte tun ihr übriges. So wird die Assoziation zu anderen Kriegsspielen wach, obwohl „Killzone“ genaugenommen gar keins ist. Wenn das mal kein Lob ist: „Killzone“ wirkt bedrückender als seine Quasi-Kollegen. Und das, obwohl in den Zwischensequenzen eher ein hollywoodartiger Ton angeschlagen wird und sich nicht allzustark bemühlt, den Spieler mit viel Drumherum einzuwickeln (sprich: Es gibt nur wenige aufwendig geskriptete Sequenzen während des Spiels). Weltraum-Nazis Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass die Gegner der Protagonisten aussehen wie die besonders fiese Version der Star Wars-Stormtrooper. Dunkle Rüstung, Gasmaske, durch den Funk entstellte Stimme, Helm mit besonderer Brille für den Kampfeinsatz, aus dem für den äußerlichen Betrachter rote Augen resultieren. Den Helgast möchte man keinesfalls im Wald begegnen. Die düstere Stimmung kommt zudem auch durch den Ton auf. Während des Spiels ist keine Musik zu hören, die Kriegsgeräusche sind stehts dominant. Wird nicht geschossen, sind Umgebungsgeräusche wie etwa pfeifender Wind oder Brummen von Maschinen zu hören, während aus der Ferne der Klang von anderen Gefechten zu vernehmen ist. Leider fangen mit der Akustik die Schwächen von „Killzone“ an. Die orchestrale Musik in den Sequenzen ist großartig, die Waffen klingen stimmig, die Umgebungsgeräusche – wie eben erwähnt – sind klasse -, aber das Sounddesign bei den Stimmen ist fürchterlich. Zunächst einmal hat man ständig, ja, wirklich ständig das Gefühl, dass die sprechenden Personen direkt neben der eigenen Spielfigur stehen. Da kann der Teamkamerad oder der Feind x-Meter weit weg stehen: Trotzdem ist die erklingende Stimme so laut und direkt zu hören, als hätte man eine verbundene Wanze[6] direkt im Ohr. Hinzu kommt, dass ALLE Helgast nur EIN und DIESELBE Stimme haben. Dass sie alle identisch aussehen macht in einem Kriegsszenario ja durchaus Sinn, aber das sie immer gleich klingen, ist albern. Zu die Sprüche, die sie zum Besten geben, nicht besonders variabel sind. Und banal hinzu[7]. Ein weiteres Riesenmanko des Spiels ist die KI der Mitstreiter. Stehts ist man zu viert unterwegs, hat aber keine direkte Kontrolle über die Kollegen. Das ist auf der einen Seite entlastend, weil man dann nicht in wildesten Gefechten mit Befehlen um sich werfen muss, aber auf der anderen Seite aber paradoxerweise widerum sehr belastend, weil man sich kaum anständig anschleichen kann. Ich hätte manche Gefechtsituationen mit einer geschickt plazierten Granate meistern können, aber meine voreiligen Teamkameraden stürzen sich kopfüber ins Getummel. Wenn sie dann auch noch in der Schusslinie stehen, möchte man nur noch fluchen. Wenigstens gibts kein Friendly-Fire[8]. Feeling Ärgerliche Patzer, Gameplay ohne Experimente. Da gelungenes Art Directing allein kein Argument für die meisten Spieler ist, muss es schon einen triftigen Grund geben, damit „Killzone“ nicht in der Versenkung verschwindet. Und den gibt es tatsächlich: Es „fühlt“ sich einfach gut an. Huh? Fühlen? Ja. Denn bei einem Ego-Shooter muss auch das Feeling bei der Steuerung funktionieren. Die Beherrschung des PS2-Pads vorausgesetzt wird der Spieler nach einer gewissen Eingewöhnungszeit mit einem stimmigen Spielgefühl belohnt, dass man in vielen Genrevertretern nicht findet. „Killzone“ spielt sich etwas langsamer und bewusst träger als seine Konkurrenten, verhindert damit aber auch, dass der Spieler wilde Kamikatzeaktionen vollziehen kann. Wer ins offene Kreuzfeuer läuft, kann noch so gut zielen: Die Verwundbarkeit des eigenen Charakters und das inviduelle Handicap der ohnehin schon gut ausbalancierten Waffen sorgen dafür, dass man sich früher oder später bereitwillig an das Shoot & Cover-Prinzip hält. Die ausgiebigen Nachladeanimationen sorgen zudem für ein gewisses Extra an Spannung in den Gefechten. Und dies ist tatsächlich der einzige Punkt, den „Killzone“ mit „Halo“ gemeinsam hat. Übrigens: Wer die rund achstündige Kampagne durchgespielt hat, kann sich in dem gelungenen Multiplayer-Modus weiter austoben. Der bietet neben dem obligatorischen Deathmatch eine runde Ausahl an Spielmodi, wie etwa Domination oder eine Art Assault-Modus. Und man kann sich über das USB-Headset genüsslich anbrüllen. [1]Die Platinum-Collection ist eine Budgetreihe von Sony, in die es Bestseller schaffen.↩ [2]Huch! Feine greifen an! In Deckung gehen und alle nach und nach über den Haufen schießen. Alle platt? Weiterlaufen! Huch! Neue Feinde greifen an! Sofort Deckung suchen und …↩ [3]Finde Schlüssel A zu Tür B, ect.↩ [4]Ja, sie grunzen wirklich … wenn sie gerade nicht gröhlen.↩ [5]Ja, sie quieken wirklich … wenn sie gerade nicht quaken.↩ [6]Nein, nicht das gleichnamige Insekt …↩ [7]„Ich stehe unter schweren Beschuss!“ Ach, wirklich …↩ [8]Ein Begriff, der für sich gesehen ein Paradoxon ist. Heisst im Gamer-Jargon aber nix anderes als: Der Spieler kann seine Teamkameraden und umgekehrt nicht verletzen.↩