„Oh my god, it`s huge“ ruft einer meiner Mitstreiter.
„Look at the size of this thing! How can it climb on such a high building?“ fügt an anderer hinzu.
„Meine Herren, wie witzig!“ denke ich und schicke eine Rakete in Richtung der Riesenameise, die gerade das Hochhaus, welches mitten in Tokio steht, vor mir erklimmt. Leider verfehlt mein Geschoss ihr Ziel und trifft das Gebäude, welches augenblicklich einstürzt – und den Blick auf weitere zwanzig Riesenameisen freigibt, die geradewegs auf mich und meine KI-Kameraden zustürmen. Mein Gamerherz lacht!

Game 9 from outer space!

„Earth Defense Force 2017“ ist inmitten der Schlacht der Blockbustergiganten während des Weinachtsgeschäfts gnadenlos untergegangen und würde es aber auch außerhalb dieser Zeit vermutlich schwer haben, ein großes Publikum hierzulande zu erreichen. Ursprünglich in Japan im Rahmen der Simple 2000-Budgetreihe [1] zum halben Preis veröffentlicht, müssen wir blöden Europäer selbstverständlich mal wieder tiefer in die Tasche greifen. Wesentlich ausschlaggebender dürften aber Story und Stil sein: In allerfeinster B-Movie-Manier kommen Außerirdische nicht auf die Erde, um gemütlich grünen Tee mit uns zu trinken, sondern um eine Invasion vom Zaun zu brechen. Zu Beginn lassen die garstigen Angreifer noch Massen von gigantischen Mutanteninsekten auf die Großstädte der Erde los, doch schon bald gesellen sich auch Scharen von Raumgleitern, riesige UFOs und meterhohe Roboter hinzu – inklusive einer metallenen Schwester von Godzilla. Wie gut, dass die Menschen schon seit Jahren die EDF, genauer genommen die Earth Defense Force, ins Leben gerufen haben. Diese wackeren Schergen sind besonders auf Aggressionen vom anderen Stern spezialisiert und rücken dem intergalaktischen Gesöcks mit allerhand modernen Waffentechnologien zu Leibe. Primär per pedes, aber auch in Fahrzeugen. Freilich geht dabei viel zu Bruch und so bleibt nach einer Konfrontation von einem Stadtviertel nur noch Schutt und Asche übrig.

Bei einem solchen Szenario könnte zu viel Ernsthaftigkeit die Suppe ordentlich versalzen, aber glücklicherweise haben sich die Entwickler dazu entschieden, ihr Spiel inhaltlich nicht zu ernst zu nehmen. Denn „Earth Defense Force“ WILL trashig sein. Mit Raumschiffen, deren Oberfläche so aussieht wie Alufolie; mit riesigen Spinnen und Ameisen, die aus unterirdischen Nestern gekrochen kommen; mit schweren Schritten voranschreitenden Robotern, die bildschirmfüllende Lasergeschosse von sich geben. Und vor allem mit dem EDF-Team selbst, welches in bester Starship Troopers-Manier mit wildem Kampfgeschrei und Parolen das Getümmel entert. Die Funksprüche sind herrlich sinnfrei, während über den gleichen Kanal das Hauptquartier des EDF über die Gefechte in anderen Weltkontinenten informiert. Ja, dieses Spiel hat die gleiche Seele in sich, wie auch schon Tim Burton`s Parodie „Mars Attacks!“ oder viele japanische Monsterfilme. Da die Macher ohnehin Japaner waren, verwundert gerade die Ähnlichkeit mit letzterem eigentlich kaum. Ganz besonders dann, wenn zu düsterer Orgelmusik ein auf vier Beinen stampfender Riesenroboter halb Tokio verwüstet und dabei mit gleißenden Laserstrahlen um sich schießt.

dem Erdboden gleich gemacht

Das Spiel selbst verkompliziert für das Publikum die Verteidigung der Erde nicht, sondern kommt so puristisch daher, wie es nur möglich wäre: In jedem der frei begehbaren 56 Level müssen sämtliche Angriffswellen pulverisiert werden. Punkt. So einfach ist das. Jeden Level kann man in jeweils fünf Schwierigkeitsstufen angehen. Je schwieriger es wird, desto stärkere Waffen kann man freischalten. Nach und nach füllt sich die Waffenkammer mit über fünfzig Ballermännern, die den Verteidigungsakt mit immer stärkerer Feuerkraft versüßen. Spätestens wenn eine einzige Granate einen ganzen Häuserblock zerlegen kann und die Gegner meilenweit bis zum Horizont geschleudert werden, kann man sich ein durch Schadenfreude provoziertes Grinsen nicht verkneifen. Vor allem, weil man mindestens genauso viel Schaden anrichtet wie die Aliens selbst.

Bei so viel trashigen Charme und einem so ehrlich einfachem Gameplay stören die merkwürdigen Kollisionsfehler und Animationen kaum; über die teils heftigen Framerateeinbrüche kann man gerade noch so hinwegsehen. Auch die dass die künstliche Intelligenz ihren Namen nicht verdient oder die Herausforderungen sich später wiederholen, fällt da kaum ins Gewicht. Gegen gigantische Monster mit Dauerfeuer zu kämpfen – so gigantisch, dass man quasi immer nach oben zielen muss – ist für viele Actionfans sicher schon Grund genug. Ein Dauerbrenner für ununterbrochen viele Stunden am Stück ist Earth Defense Force 2017 sicher nicht, auch wenn verschiedene Tageszeiten und alternative Umgebungen wie Land oder unterirdische Höhlen sich bemühen Abwechslung zu bieten. Aber weil es zig Waffen freizuschalten gibt und das Spiel völlig unkompliziert ist, kann man immer wieder für einige Minuten eintauchen. Nicht zuletzt, weil man sich via Splitscreen einen zweiten Spieler als Verstärkung dazuholen kann (wobei ein Online-Modus sicher übersichtlicher gewesen wäre).

Wenn ein Spiel immer wieder in die Konsole gelegt wird, dann ist das schon mehr, als viele andere Entwickler mit ihren Werken je erreichen werden. Wie rufen bei einem Sieg unsere virtuellen Mitstreiter doch so schön im Chor?
„EDF! EDF! EDF!“

  1. [1] Seit vielen Jahren veröffentlicht D3-Publisher in Japan unter diesem Label Budget-Spiele und ist plattformübergreifend bei weit über hundert Titeln angelangt. Innerhalb dieser Reihe gibt es einige echte Trash-Perlen!