pornophonique. Diesen Namen musste ich mir erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. por-no-pho-nique. Dahinter verbirgt sich nicht etwa eine Elektroband, die heiße Tanzrhythmen für Hinterhof-Discos am Hamburger Kiez bastelt, wie man annehmen könnte, nein, pornophonique ist viel besser als das: zwei Jungs aus Darmstadt fusionieren hier klassischen Gitarrenrock mit seltsamem Gepiepse und Getüte, das uns Gamern aus alten Tagen, in denen die musikalische Begleitung zum neusten Spiel noch aus 8 Bit (oder weniger) bestand. Denn Kai Richter und Felix Heuser verwenden die für eine Two-Piece-Band herrlich unkonventionelle Kombination von Gesang, Gitarre und Gameboy. Wer braucht schon teures Equipment? Ein Gameboy reicht! Äh, halt… Gameboy? Ja, ich rede hier tatsächlich von Nintendos altem Handheld, der hier mit Hilfe der Software „Little Sound DJ“ zum Sequencer und Drum Computer avanciert und auch für Live-Auftritte (bei denen übrigens ganz gerne bekannte Hits gecovert und in die Gitarren-Gameboy-Kombo überführt werden) verwendet wird. Doch auch der C64 erhält bei pornophonique seine zumindest klangliche Renaissance und wird durch Unterstützung von Gitarrenriffs und die sympathische Stimme von Kai Richter in eine echt rockige Mischung verquickt, die sogar dermaßen rockt, dass ich nach erstem Hören des Albums „8-bit lagerfeuer“ erst einmal selbst zur Gitarre greifen musste um, zumindest in Guitar Hero, meine Rock-Gelüste zu befriedigen (bis mein Nacken extrem schmerzte). Wie klingt es denn? „8-bit lagerfeuer“ beginnt mit dem großartigen „sad robot“ das mit chilligen Beats und Everlast-esken Gitarren die Geschichte eines … naja, traurigen Roboters erzählt. Dieser Song rotiert, seit dem ich das Album habe, in meiner Party-Playlist. Nicht, dass er besonders happy-dance-mäßig wäre, aber er ist auf deutsch gesagt halt total geil, mit seinen crazy Vocoder-Effekten und seiner Bridge, die mich irgendwie an „The Last Ninja“ (das von System 3 für den C64) erinnert. Bemerkenswert ist, dass der Song dem deutschen Comiczeichner Holger Hofmann scheinbar als Muse diente und er daraus eine 126-seitige Story namens „Red Robot“ gestrickt hat. Der nächste Track „take me to the bonuslevel because i need an extralife” ist besonders für Fans von älteren Nintendo Games ein Fest, da es hier zwischen der funky Wahwah-Gitarre und den groovigen Beats ein großartiges 8-bit-Sound-Galore-Solo gibt, das sich trotz seiner scheinbar willkürlichen Natur doch großartig in die Songharmonie einfügt. „lemmings in love“ bekommt über seinen coolen Shuffle-Beat eine fröhliche Gitarre und ebenso fröhliche Gameboy-Sounds und dennoch geht es lyrisch um die Vergänglichkeit der jungen Lemmingliebe, die so passieren kann, auf dem Weg durch die Levels. In diesem Song singt charmanterweise den Part des weiblichen Lemmings die Gastsängerin Preslisa, die sonst die eher unbekannten Songs aus Elvis Presley Filmen mit der Ukulele begleitet performt. So, jetzt aber mal Butter bei de Fische, denn der nächste Track „space invaders“ rockt! Nach dem genialen 8-bit-Drum-Build-Up unter der ersten Strophe ertönt der Refrain, der sehr zum Headbangen einladen würde, hätte man nicht einen extrem schmerzenden Nacken vom Guitar Hero Zocken, wie GEWISSE Leute. Auch dieser Song hat ein großartiges Gameboy-Solo, was auch derbe abgeht. Im letzten Refrain bekommt der Song einen guten alten Sinuston-Bass spendiert und da ist er auch schon wieder vorbei. „i want to be a machine“ ist der nächste Track auf “8-bit lagerfeuer”, aber so nach Lagerfeuer klingt der eher nicht. Eher wie „Project Pitchfork“ oder die frühen „Nine Inch Nails“. Mit seinen ganz schön wummsenden Beats, Teenage-Angst-Lyrics und fast schon Castlevania-esken Gameboy-Solo zeigen sich pornophonique von ihrer eher düsteren Seite. Und weiter geht der Rock: „1/2 player game“ ist wieder ein flotter In-Die-Fresse-Rocksong, der nicht mit verzerrten Gitarren und arpeggio Gameboy-Sounds spart. Genaugenommen hat dieser Song meines Erachtens (und Wissens) sogar das genialste Zusammenspiel von Gitarre und Gameboy EVER während des Solos im letzten Drittel des Songs. ROCK ON! Der nächste Song „game over“ handelt, wie fast alle Songs von pornophonique (allerdings auch fast alle Songs ALLER Künstler) von unerfüllten Beziehungskisten und dem ganzen Schmerz drumrum. Dieser Song ist allerdings negativer als der Rest. Allein schon durch die herabführende Harmoniespirale, die das Hauptthema und das Gitarrensolo begleitet. Insgesamt ist „game over“ zumindest meiner Meinung nach ein relativ schwacher Song, was aber nichts macht, denn jetzt kommt: „rock’n’roll hall of fame“ – der zweite Track von „8-bit lagerfeuer“, der es direkt in meine Party-Playlist geschafft hat. Dieser Song hat fast schon Stadionrock-Qualität und ist eine Rock-Hymne, die sich hervorragend als letzter Song auf einem Konzert der Jungs machen würde (oder vermutlich sogar tatsächlich macht). „rock’n’roll hall of fame“ hat im Grunde alles, weswegen diese Band Spaß macht: Von verzerrten E-Gitarren über einen ruhigen Mittelteil mit akustischer Gitarre bis hin zum total geilen Gameboy-Beat ist alles vertreten. Macht auf jeden Fall Laune! Bitte mehr! So ist es tatsächlich nach acht Tracks auch schon wieder vorbei. Leider. Trotz des überraschenden Hörgenusses, denn für eine kleine deutsche Indieband, die zudem auch noch mit Gameboy und C64 Musik macht, ist „8-bit lagerfeuer“ überragend produziert. Die Stimme von Kai Richter klingt nicht so fies, wie auf unzähligen anderen Gamemusic-Hobby-Projekten. Im Gegenteil, sie klingt, insbesondere in mehrstimmigen Parts, sehr lebendig und professionell aufgenommen, auch wenn er nicht jeden Ton so trifft, wie er es vielleicht vorhatte. Sympathischerweise sind diese Imperfektionen so belassen und „8-bit lagerfeuer“ ist keine weitere Demonstration der Fähigkeiten von Autotune-Software, wie eigentlich alle Pop-CDs, die man sich heutzutage kaufen kann, bei denen mit Hilfe von digitalen Effekten die Gesangstimme einfach in ihre richtige Tonabfolge „gepresst“ wurde, wenn sich das Popsternchen mal versungen hat. Abmischungstechnisch kann man sich manchmal über den etwas leisen Beat wundern, der aber denke ich aus Gründen des Trommelfellschutzes bei etwas zurückhaltenderen Lautstärken gehalten wurde, da Hihats aus dem Gameboy doch recht „einschneidende“ Frequenzen haben können. So kann man „8-bit lagerfeuer“ auch problemlos aufm MP3-Player mit auf Reisen nehmen, ohne Angst um seine Gehörgänge zu haben. Anstonsten verhält es sich ähnlich mit den Vocals: Das Album ist erfrischend abgemischt und klingt weder hobbymusiker-muffig, noch effekt-aufgegeilt weil das Ausgangsmaterial zu schwach war. „8-bit lagerfeuer“ ist komplett für Umme erhältlich auf www.pornophonique.de und es gibt keinen einzigen Grund, es sich nicht herunterzuladen. Wer es etwas mehr porno haben möchte, kann sich die CD auch in physikalischer Form in einer Blechdose mit acht farbenfrohen CD-Covers zu jedem Track, jeder von einem anderen mehr oder weniger bekannten deutschen Comiczeicher bepinselt, mit einer CD im Schallplattenlook bestellen. Meinen Anspieltipp erhält das Album auf jeden Fall! Abschließend möchte ich noch einen Wunsch an die Jungs von pornophonique richten und ich denke, ich spreche hier nicht nur für mich selbst: Wir brauchen mehr Songs von Euch!