Ich hatte ehrlich gesagt keinen blassen Schimmer wer oder was der Slenderman eigentlich ist, bis ich vor ein paar Tagen durch Dave von ihm erfahren habe. Er zeigte mir einige Fotos und erklärte mir, dass die Gestalt ganz hanebüchen in einem Gestaltungs-Wettbewerb geboren, seitdem aber immer weiter mit mysteriösen Hintergrundinformationen ausgearbeitet wurde, so das daraus nicht nur eine der größten Internet-Memes 2010 entstand, sondern eine überzeugende Bogeyman-Figur. Der Slenderman, so sagt man, ist ein Wesen mit dem Äußerem eines sehr schlanken, großen Mannes, der einen Anzug trägt. Er hat kein Gesicht; seine Arme sind unnatürlich lang und ragen bis zum Boden und auf seinem Rücken hat er Tentakeln, die manchmal gespreizt abstehen. Seine Gliedmaßen kann er unendlich weit strecken. Auf Fotos, die mehr oder weniger zufällig gemacht wurden, scheint es, als würde der Slenderman regungslos dastehen und beobachten. Manchmal schwebt er sogar und angeblich kann er sich teleportieren. Es heißt, in seiner Gegenwart erfährt man zunehmend Desorientierung, ein Übelkeitsgefühl und Paranoia. Brisant ist: Ansehen darf man den Slenderman nicht. Man sollte auch möglichst wenig von ihm erfahren. Denn wer über den Slenderman nachdenkt, macht ihn auf sich aufmerksam. Was er mit seinen Opfern tut ist ebenso unklar wie seine Herkunft. Man weiß nur: Wo er auftaucht verschwinden Personen nach einer Zeit absolut spurlos. Ob er sie mit in eine andere Welt nimmt, in eine andere Dimension, oder sich schlicht von ihnen ernährt, kann niemand genau sagen. … und deine Fantasie macht mehr daraus Wer auf Google oder auf Youtube nach dem Slenderman sucht, wird eine ganze Reihe von Informationen zu dem Phänomenen entdecken. Einige davon machen keinen Hehl daraus, dass die Monstergestalt frei erfunden ist, während andere mehr oder weniger überzeugend mit Found Footage den angeblichen Wahrheitsgehalt untermauern möchten. Ob Hingespinst oder nicht: Sich des Nachts durch das Material zum Slenderman zu forsten erzeugt bei mir zumindest eine Gänsehaut. Nach einer Zeit habe ich sogar begonnen im Schatten Dinge zu sehen, die eigentlich gar nicht da waren. Auf Authentizität getrimmte Fotos und Dokumente, als auch die Erscheinung des Slenderman kitzeln bei aller Vernunft an den empfindlichen Nerven meiner Urangst, auch wenn ich eine rationale Stellungnahme zum Sachverhalt machen kann. Insofern bin ich wie geschaffen für „Slender„, einem frei erhältlichem Horrorspiel, das sich um besagtes Monster dreht. Das Spielziel ist einfach: Ich muss Nachts in einem dunklen Wald einige Notizen einsammeln und dabei vermeiden, dass der Slenderman mich kriegt. Verhindern kann man das, indem man ihn nicht anschaut, denn töten kann er einen nur, wenn man in die weiße Leere schaut, wo eigentlich sein Gesicht sein sollte. Ja, mehr ist es tatsächlich nicht. Doch trotz einer einfachen grafischen Darstellung und dem absolutem Barebone eines Spiels gelingt „Slender“ das Kunststück den Kern des Survival Horror-Konzepts sofort aufzugreifen und den maximalen Effekt zu erzielen. Fieserweise kann das Monster quasi überall auftauchen. Wenn man sich umdreht, hochschaut, das flackernde Licht der Taschenlampe kurz ausfällt oder auch nur um die Ecke eines größeren Hindernisses geht: Nirgends ist man sicher. Der beschränkte Sichtradius und die minimalistische Soundkulisse, bei der jedes Geräusch alles mögliche bedeuten kann, machen die ganze Angelegenheit nur noch unangenehmer. Und unter Zeitdruck steht man ebenso: Die Batterie der Taschenlampe geht zielstrebig zuneige und steht man einmal komplett in der Finsternis, wagt der Slenderman sich sehr viel schneller an einen heran, als einem lieb ist. Die eigene Spielfigur ist zudem kein Held: Sie kann sich nicht verteidigen, läuft eher langsam und kommentiert jeden Sprint mit schwerem Atem und zunehmenden Herzrasen. gemeines Schattenspiel Nach der ersten grausigen Erfahrung, die gerade einmal ein paar Minuten dauert, und dem ersten überwundenen Schreck wurde mir auch langsam klar, warum ein Wald mit kahlen Bäumen als Schauplatz ausgesucht wurde: Die dürren Äste erinnern sehr an die Tentakel-Arme des Slenderman, und so kann man sich schon durch den Schattenwurf der Taschenlampe leicht seine Gestalt einbilden. Mit der ständigen Gewissheit einen Verfolger im Nacken zu haben, wirken die auffindbaren Orte, wie etwa ein Baucontainer oder ein stehengebliebenes Auto, wie kleine trügerische Oasen. Die Orientierungslosigkeit im eigentlichen Wald ist da Teil des Gesamtkonzepts. In seiner Einfachheit wird „Slender“ zwar nur kurz, aber zweifelsfrei zur Studie der Urangst. Das kleine Spiel, welches für Mac und PC frei verfügbar ist und vom Entwickler laufend verbessert wird, ist durch seinen Minimalismus auf absolute Grusel-Effizienz getrimmt – wenn man das so sagen kann. Egal wie man es formulieren möchte: Noch während ich diese Zeilen tippe, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Spielt es Nachts, im Dunkeln, laut mit Kopfhörern! Es ist eine kleine Mutprobe, die ihr mit anschließender Google-Bildersuche noch etwas würzen könnt. SlenderSlender ist ein erfolgreiches, kleines Experiment, was innerhalb weniger Sekunden einen maximalen Effekt erzielt. Den Durst danach nach mehr kann die kleine Studie über Urangst aber nicht stillen; die Hintergrundgeschichten zum Slenderman, die man bei Google finden kann, müssen diese Lücken füllen.7Gesamtwertung