Auf dem ersten Blick ist Rule of Rose einer von vielen mäßigen Survival-Horror-Titeln für die Playstation 2, in der Spielmechanik vergleichbar mit Titeln wie Silent Hill oder Resident Evil. Unter der Haube findet sich allerdings William Goldings Herr der Fliegen, von Lewis Carrol ins Wunderland versetzt und letztendlich von Jules Verne zu einem grandiosen Instrumentalsoundtrack auf der Hindenburg in Szene gesetzt. In Märchen und Gedichten erkennt die wahren Weltgeschichten Eine seltsame Geschichte kursiert unter den Waisenkindern von Rose Garden. Wer nicht achtgibt, der wird vom Streuner geholt und auf einen Zeppelin verschleppt, den er nie wieder verlassen kann. Dorthin verschlägt es auch die erwachsen wirkende Vollwaise Jennifer nach dem Tod ihrer Eltern. An diesem seltsamen Ort hat der Club der Aristokraten des Roten Stifts, Waisenkinder wie Jennifer, eine brutale Hackordnung durchgesetzt, in der die Protagonistin ganz unten steht. In den Kapiteln der Handlung muss sie mit Hilfe des Hundes Brown Aufgaben absolvieren, um in der Gesellschaft aufzusteigen, oder erniederigende Strafen über sich ergehen lassen. Die Aristokraten werden angeführt von der Prinzessin Rosenrot, direkt unter ihr steht die grausame Diana, genannt „Die Prinzessin mit dem starken Willen“, die selbst andere Mitglieder der Aristokraten schikaniert. Nummer Zwei ist die emotionslose und distanzierte Eleanor, „Die kalte Prinzessin“, welche immer einen leeren Vogelkäfig mit sich herunträgt. Nummer Drei ist Meg, „Die Prinzessin, die weise aussieht“. Sie setzt ihre Intelligenz hauptsächlich dazu ein, Gerätschaften zu erfinden, mit denen anderen Kinder bestraft wrden. Die Unterklasse bildet Amanda, „Die Prinzessin mit dem kleinen Herzen“. Sie ist erst dankbar dafür, dass Jennifer einen Teil der schlechten Behandlung durch die Aristokratie abfängt. Letzendlich entwickelt sie aber einen tiefen Hass gegenüber der neuen Rivalin. Die einzige Aristokratin, die nett zu ihr ist, ist Wendy, „Die einsame Prinzessin“. Auch andere Kinder und Angestellte des Waisenhauses werden oft mit solchen Titeln genannt, wie die sechzenjährige Clara, „Die ängstliche Prinzessin“ und die Haushälterin Martha Carol, „Die Königin des Putzens“. Je mehr Verbote, umso ärmer das Volk Das Erscheinen des Titel im Jahr 2006 wurde weltweit von einer Welle aufgeheizter Diskussionen begleitet, die bis nach Deutschland schwappte. Letztendlich wurde Rule of Rose aus verschiedenen Gründen in weiten Teilen der Welt nicht oder nur zögerlich auf den Markt gebracht. Waren es in Europa vor allem die physische und psychische Gewalt, die von den größtenteils minderjährigen Figuren ausgeübt wird, waren es in Amerika die angedeuteten Aspekte von vorpubertärer Sexualität und Pädophilie, die für Bedenken sorgten. Statt Sony Computer Entertainment, die den Titel in Japan veröffentlichten, nahm sich die US-Division von Atlus des Titels an. Über den Publisher 505 Game Street kam das Spiel letztendlich auch in ausgewählten europäischen Ländern (Frankreich und Italien) auf den Markt. Die Handlung von Rule of Rose zusammenzufassen, ohne der Geschichte vorzugreifen und eigene Theorien als Fakt in den Raum zu stellen, ist in der Tat eine ebenso interessante wie schwierige Aufgabe. Seltsame Dinge passieren in Jennifers Welt. Wie im Märchen kann es vorkommen, dass leblose Objekte anfangen zu sprechen, dass es Federn von der Decke regnet und sich tief im Bauch des Zeppelins eine Meerjungfrau verbirgt. Tatsächlich werden Teile des Spiels von einem Erzähler begleitet, es finden sich immer wieder Seiten von Märchengeschichten, die verschiedene Spielabschnitte inhaltlich begleiten. Ein böses Märchen voller Schatten und Ungeheuer, dass jedoch mehr zu sein scheint als ein Alptraum, der nach dem Erwachen schnell vergessen ist. Am Besten begebt ihr euch auf YouTube und sucht dort nach dem Rule of Rose E3 Movie. Wenn euch dieser Teaser fasziniert zurücklässt, werdet ihr viel Freude daran haben, Jennifers Welt für euch zu entdecken. Geduld ist ein Baum, dessen Wurzeln bitter sind, dessen Frucht aber sehr süß ist Die Entwickler des japanischen Entwicklers Punchline schwächeln ausgerechnet dort, wo es nicht ums Erzählen, sondern um die Spielbarkeit geht. Die Steuerung hält sich größtenteils an die Konventionen des Genres Survival Horror, Veteranen werden nur die freie Platzierung der Kamera über den rechten Thumbstick vermissen. Browns Schnüffelnase zeigt Jennifer jederzeit zielsicher den Weg durch die Levels, anders als in Haunting Ground ist Streicheln optional und Füttern dient nur dazu, die Gesundheit des vierbeinigen Begleiters wiederherzustellen. Sobald es zum Kampf kommt, sind allerdings vor allem Geduld und Frusttoleranz gefragt. Zähe Bewegungen und unfaire Kollisionsabfrage lassen schnell das Gefühl aufkommen, dass Jennifer „wie ein Mädchen“ kämpft. Einzelne Angriffe, wie der aus Silent Hill entlehnte Finisher-Fußtritt, funktionierenden praktisch niemals. Die simple Gegner-KI ist mehr Hilfe als alle Waffen, die dem Spieler auf dieser Reise in die Hände fallen. Der Spielablauf besteht unter dem Strich aus einer endlosen Anreihung von Such- und Sammelaufgaben. Beispiel: Die Aristokraten schicken Jennifer auf die Suche nach einem Schmetterling. Irgendwo taucht ein verlorener Hut auf, Brown schnüffelt an dem Hut, findet einen Lumpen, der einem zu einem Schlüssel führt, welchen man an einer Tür keine fünfzig Meter vom Ausgangspunkt benutzen muss, hinter der Tür darf der Wauwau dann an einem Schmetterlingskasten schnüffeln, woraufhin wir einen Schmetterlingsschwarm entdecken, dem auf ein anderes Deck folgen, wo dann und so weiter und so fort. Auch für Kuchen und Kekse, die Jennifers Gesundheit wiederherstellen, ist Beinarbeit gefragt. Nur selten legt einem das Spiel direkt etwas Brauchbares auf dem Weg. Nur durch Erschnüffeln und Tauschgeschäfte an der Gabenklappe der Aristokratie bleibt man auch über die bockschweren Bosskämpfe hinweg bei guter Gesundheit. Wie in den Spielen der Fatal Frame (Projekt Zero) Reihe läuft man dabei nach den Anfangskapiteln durch die immer gleichen Passagen, nur selten eröffnet sich einem ein komplett neues Areal. Alles, was vergessen ist, schreit im Traum um Hilfe Wer die Ruhe eines Zen-Mönchs oder wahlweise einen ausreichenden Vorrat an Controllern zum in die Ecke schmeißen hat, darf allerdings eines der Spiel gewordenen Kunstwerke erleben, von denen es in jeder Konsolengeneration nur eine Handvoll gibt. Bis spät in die Handlung hinein ist man immer wieder gezwungen, seine Theorien komplett zu überdenken, die subtilen Andeutungen und Motive des Spiels werden den Spieler noch weit über den Abspann hinaus zur Diskussion anregen. Mangels eines Distributors ist eine auf unmodifizierten PS2-Konsolen lauffähige PAL-Version (Englische Sprachausgabe mit deutschen Untertiteln) nur über Importhändler oder direkt in Frankreich oder Italien erhältlich. Diese Version ist von der PEGI ab 16 Jahren freigegeben. Beim Import ist zu beachten, dass Rule of Rose davon abweichend den roten USK-Sticker ohne Jugendfreigabe trägt.