Tja, der Nintendo DS …
Es ist an der Zeit, mal einen genaueren Blick auf Nintendos kleine Wunderkonsole zu werfen, die sich mittlerweile schon in der zweiten Iteration, dem DS Lite, wie geschnitten Brot verkauft und in den wohlbekannten Elektronik-Majors regelmäßig ausverkauft ist. Woher kommt diese Faszination für dieses kleine Spielzeug, das von seinen Leistungsdaten her beispielsweise dem größten Konkurrenten, der PSP von Sony, mit Abstand unterlegen ist?

Glaubt man den Verkaufszahlen, sollte beinahe jeder Bewohner Japans mindestens zwei Nintendo DS besitzen. Dabei fing es für den DS eher dürftig an. Selbst Nintendo wird mittlerweile zugeben müssen, dass der „Super Mario 64“ Port, der als Launchtitel released wurde, ein kompletter Schuss in den Ofen war. So genial die Idee auch gewesen sein mag, uns Spielern den Nintendo 64 Klassiker auf einen Handheld zu bringen (denn sagen wir es, wie es ist: „Super Mario 64“ war einfach ein unglaublich gutes Spiel), so furchtbar war leider die Umsetzung: Nintendo hat die Gamer regelrecht dazu gezwungen, mit dem Stylus zu lenken, da das Steuerkreuz die Spielfigur nur sehr langsam bewegt hat. Doch mit der einen Hand zu „stylussen“ und mit der anderen die Knöpfe für Springen und Aktion zu betätigen war für mich als Rechtshänder komplett unmöglich. Dieses Spiel hat einfach keinen Spaß gemacht. Mir zumindest nicht.

Einfach Tierisch!

Doch dann hat ein kleines, albernes Spiel alles verändert: Nintendo kam auf die Idee, für alle Kinder, die in ihrer modernen urbanen Umgebung keine Haustiere halten dürfen /können, ein Spiel zu entwickeln, in dem man sich ein kleines Hündchen hält, das man streicheln, zum Gassi ausführen und dessen Fell man bürsten kann und so weiter. Also, fast wie ein echter Hund. Es gibt sogar verschiedene Rassen für alle möglichen Vorlieben.

Erstaunlich ist, wie gut dieses Konzept funktioniert hat. Aus dem kleinen, albernen Spiel wurde ein Bestseller. Niemand konnte sich dem Bann der „Nintendogs“ entziehen. Ich auch nicht. Ich habe einen kleinen Golden Retriever Welpen mit dem doofen Namen „Toto“[1], weil er sich „James“ nicht merken konnte. Und wenn ich „Arschloch“ zu ihm sage, hüpft er ganz putzig mit seinen beiden Vorderpfoten, weil man seinem Nintendog alle möglichen Tricks beibringen, und dazu quasi ein „Ausführbegriff“ in das in den DS integrierte Mikro einsprechen kann.

Mit der Zeit wurden die besonderen Features des DS immer besser in Szene gesetzt. Unter anderem ist ein Pacman-Klon erschienen, bei dem man sich seinen Pacman selber zeichnen konnte. Diese Zeichnung ist dann zum Leben erweckt und ist, korrekt animiert, auf Geisterjagd gegangen. Simpel, aber verblüffend. Und genau das beschreibt die folgenden DS Spiele am besten:

Simple, aber verblüffende Spiele

So richtig ging es erst mit den Spielen der sogenannten „Touch Generation“ los, allen voran „Dr. Kawashimas Gehirnjogging“. Dieser Titel und sein direkter Nachfolger „Mehr Gehirnjogging“ führt alle Verkaufscharts an und Jeder, der einmal damit angefangen hat, kommt schwer wieder davon los. Die Idee ist simpel, aber die Wirkung ist verblüffend. Jeder will wissen, wie alt sein Gehirn ist und will es, falls nötig, trainieren. Eine Menge Software dieser Art folgte, unter anderem Englisch- und Augentrainer, die vom Gameplay her (wobei man hier nicht von klassischem Gameplay sprechen kann, da es sich ja nicht wirklich um ein Spiel handelt, sondern eher um … Selbsttests inkl. Trainingsfunktion) alle Dr. Kawashima ähneln. Und es funktioniert. Die Aussicht auf persönliche Erfolge und die kleinen Belohnungen, die man durch kontinuierliches Training oder brechen seiner eigenen Rekorde erhält, machen schnell süchtig. Und das meine ich positiv. Dazu hat man insbesondere bei den First-Party-Titeln immer den üblichen Nintendo-Charme, den einen das eine oder andere Mal schmunzeln lässt, auch wenn man sich eigentlich zu alt für so einen Scheiß gehalten hat.

Natürlich bietet Nintendo auch „richtige Spiele“ für den DS an. Futter für den alt eingesessen Mario-Fan. Beispielsweise ist das „New Super Mario Bros.“ ein echter Zeitkiller. Der Ableger der Klemptner-Saga für den DS verbindet die Stärken von „Mario Bros. 3“ mit „Super Mario World“ und fügt einige wirre Einfälle der Nintendo Spieledesigner hinzu. Natürlich darf auch „Mario Kart“ nicht fehlen. Mal eben ein paar Ründchen mit bis zu sieben Freunden und ihren per WiFi oder Internet verbundenen DS zum Beispiel durch den Retro Grand Prix (der aus beliebten Kurse aus vergangenen Mario Kart Titeln, selbst Mario Kart Double Dash!! vom GCN, besteht) drehen ist gar kein Problem. Auch „Mario Party DS“ ist mit von der Party, pardon, Partie und wartet mit lustigen, kleinen Mit-Touchpen- und Ohne-Touchpen-Minispielen auf bis zu vier Spieler.

Über dem Tellerrand

Wer keine Lust auf Mario, Yoshi und Co. hat, findet auf dem DS auch jede Menge Software ohne die üblichen Verdächtigen Nintendo-Maskottchen. In „Trauma Center“ beispielsweise muss der Spieler als junger Chirurg spannende Operationen an Menschen durchführen (und das sollte kein Sarkasmus sein, die Operationen sind wirklich spannend. Und teilweise sauschwer.), und darf sich zur Belohnung kleine, belanglose Zwischensequenzen ansehen, die in einem wirklich hübschen Manga-Stil gehalten sind. Für verrückte Minigames sorgen die Jungs von Ubisoft mit ihrem DS Ableger von „Raving Rabbids“, die zwar nicht ganz so verrückt und schweißtreibend sind, wie die des großen Wii-Bruders, aber dennoch jede Menge Spaß bringen. Zum Beispiel die Hasen-Band Minispiele sind wie ein „Elite Beat Agents“, nur in total bekloppt. Gutes Stichwort: Was wäre eine Konsole ohne ein ordentliches Musikspiel? „Elite Beat Agents“ ist genau das, inkl. einer Sammlung absurder Comics, die im Hintergrund ablaufen, während man zu den Beats den Stylus bewegt.

Okay, man kann wirklich jede Menge Spaß auf dem DS haben. Das System strotzt nur so vor lustiger Spielchen. Aber was ist, wenn man ernsthaft unterhalten werden will und wirklich zu alt für Pokemon und Co. ist? Glücklicherweise gibt es auf dem DS auch ein paar Ausflüge in ernstere Themen. „Dementium: The Ward“ ist überraschenderweise ein Survival-Horror-Titel für den DS, der, bis auf die sich dauernd wiederholenden Szenerien und den schwachen Plot, wirklich ehrgeizig den Spieler begruselt.[2] Auch „Hotel Dusk“, das ich an dieser Stelle besonders hervorheben möchte, richtet sich eher an erwachsene Spieler, da man hier schon fast von einem interaktivem Kriminalroman sprechen kann. Der Spieler muss sich nicht erst großartig an irgendein Gameplay gewöhnen, sondern liest sich hauptsächlich durch Dialoge um Informationen zu erlangen, löst Rätsel mit dem Stylus, dem Mikrofon oder dem DS an sich (ähnlich wie bei dem Stempel-Rätsel in Zelda: The Phantom Hourglass, muss der Spieler zum Beispiel den DS schließen und wieder öffnen um ein Objekt auf die andere Seite zu wenden) und flaniert per simpelster Stylus-Steuerung durch das Hotel. Trotz fehlender Sprachausgabe (so schwer kann das nicht sein, Nintendo!) sind alle Personen überzeugende und unterschiedliche Charaktere und insbesondere der Protagonist ist nach kurzer Eingewöhnungsphase an seine Rüpelhaftigkeit ein echter Identifikationscharakter, mit all seinen Macken, Wünschen und Päckchen, die er zu tragen hat. Das letzte mal, wo ich in einem Videospiel einen so menschlich umrissenen Charakter erlebt habe, war in „Max Payne 2“.

How casual DS use leads to addiction

Man kann nicht genau sagen, warum der DS so beliebt ist. Es könnte sein wirklich tolles Quasi-Apple-Design sein. Es könnte sein geniales Steuerkonzept sein. Es könnte aber auch seine Vielseitigkeit sein. Oder sein stetig wachsender Katalog an Bespaßungssoftware, der für sowohl für Spieler als auch für Nichtspieler einfach jede Menge zu bieten hat.

Ich persönlich gebe gerne zu: Ich bin süchtig. Es geht doch nichts über die tägliche Runde „Dr. Kawashima“ im Zug auf dem Weg zur Arbeit und eine weitere in Mehr Gehirnjogging im Zug nach Hause, um zu überprüfen, ob der Tag das Gehirn geschwächt hat. Ich muss hinter das Geheimnis vom Hotel Dusk kommen, ich muss zum hundertsten Mal die Prinzessin retten, ich muss alle meine Patienten heilen und mich um meinen Hund kümmern! Dank der kleinen Portion Nintendo-Charme für die Hosentasche geht das nun immer und überall – was allerdings auf keinen Fall zur Genesung meiner Sucht dienlich ist.

  1. [1]Mach Schrift, TOTO! ;D
  2. [2]Auf unserer Schwesterseite gibt es eine Rezension: http://www.frightening.de/content_rezensionen_videospiele_dementium_the_ward