Kurz vor Aprilanfang veröffentliche Manu auf dem Blog Polyneux den Artikel„Schöne neue Download-Welt?“. Seine Überlegungen bezüglich einer volldigitalen Zukunft ohne Verpackungen und Medien regte eine intensive Diskussion in den Kommentaren an. Hier meine Ansichten zu diesem Thema, herausgearbeitet aus meinen diversen Diskussionsbeiträgen auf Polyneux. Wer bewahrt die Kultur des digitalen Millenniums? Wir beweinen seit Jahren, dass wir in einem Zeitalter des programmierten Zerfalls leben. Dass vom digitalen Millenium nichts weiter als Makrolonstaubbleiben wird. Ja, es ist bequem. Es ist von der Idee her supertoll, sich um nichts mehr kümmern zu müssen. Die Unterhaltung kommt aus dem Nichts, wird verkonsumiert und verschwindet wieder ins Nichts, ohne Rückstände zu Hinterlassen. Doch geben wir damit wieder ein Stück Kontrolle auf, wieder ein Stück Möglichkeit, selber Verantwortung für die Werke unserer Kultur zu übernehmen. Ein Publisher, einem komplexes, gewinnorientiertes Unternehmen ist dieser Aufgabe nicht gewachsen. Es gibt keinen Auftrag zur Bewahrung. Es genügt eine schlechte Entscheidung „von oben“, schon kommen 20 Jahre Backups in die Tonne. Da muss doch einer für zuständig sein! Ganz sicher nicht unser Staat – welchen Schutzwert wird das Bundesarchiv„Killerspielen“ und „Vergewaltigungssimulatoren“ schon beimessen wollen? Mal ganz davon abgesehen, dass die Spieleindustrie sehr international ist. Ist ein Crysis oder ein Gothic überhaupt “deutsch” genug, um vom Bundesarchivbeachtet zu werden? Wir haben von Emulatoren geredet, die man sowieso schon braucht um überhaupt noch alte Spieleperlen ans laufen zu kriegen. Von der begrenzten Lebensspanne unserer Medien. Wo kommen denn die ROMs und ISOs her, von denen wir im Zusammenhang mit Emulatoren reden? Die werden nicht von den Publishern bereitgestellt. Die haben wurden in einem lichten Moment von ihren Modulen, CDs, GDs, DVDs gerippt. Fans opfern jeden Tag ein Stück ihrer Bandbreite um die Cloud per Torrent und Konsorten zu bedienen. Okay, irgendwie habe ich jetzt gerade Raubkopierer zu Archivaren der Gamekultur hochglorifiziert. Trotzdem ist ein Körnchen Wahrheit in diesem Gedankengang enthalten. Ein anderer Zukunftsentwurf Meine utopische, volldigitale Spielewelt sieht anders aus. Im Jahr 2020 kann ich ein Spiel “körperlos”, als Lizenz, oder mit Packung für das Regal kaufen. Die Packung kostet extra, enthält dafür sowohl die Lizenz in schriftlicher Form als auch Datenträger für die verschiedenen Hardwareplattformen. Publishern kann man nur soweit trauen, wie man sie werfen kann. Die Authentifizierung der Lizenz erfolgt deshalb durch einen unabhängigen, globalen Verein ohne Gewinnabsicht – nennen wir ihn jetzt mal Independent Global Licensing. Publisher kaufen dort Dienstleistungen ein – Authentifizierung, Multiplayerhosting, Vorhaltung von Spieldaten, Patchverteilung, Payment, und so weiter. iTunes, Battle.net, Steam und so existieren weiterhin, sind aber im Unterbau nur gebrandete Skins für die IGL-Plattform, nennen wir sie malGlobal Games Portal ein. Die IGL hat auch attraktive Angebote für Indie-Developer, die das Global Games Portal zum Schutz und zur Verbreitung ihrer Werke nutzen möchten. So ähnlich, wie wir das heute schon vonSourceforge kennen, nur eben auch mit Features zur kommerziellen Nutzung. Möchte der Lizenzinhaber (die Person, die das Spiel “gekauft” hat, also die Lizenz aktiviert hat) einen Titel weiterverkaufen, gibt er die Lizenz auf demGlobal Games Portal frei und erhält einen zusätzlichen Auth-Code für den Transfer – so ähnlich wie bei der Weitergabe von Domains heute. Welchen Wert der Gebrauchtmarkt einer Packung mit Medien beimisst, hängt sicher vom Käufer ab. Erreicht ein Spiel das Ende der Produktlebenszeit, also erneuert der Publisher den Dienstleistungsvertrag nicht, fällt der Titel auf ein Basisservicepaket zurück. Dieses ermöglicht dem Lizenzinhaber weiterhin den Betrieb des Spiels durch die positive Bestätigung aller Lizenzanfragen ohne genaue Prüfung (Whitelisting). Eventuelle Überschüsse dieser Plattform landen (nebst massiven Spendengeldern) bei einer Stiftung, nennen wir sie mal Global Games Heritage. Dort werden auf Antrag Titel in ein Ewigkeitsarchiv aufgenommen. In diesem werden Images für alle Plattformen vorgehalten, so dass das kulturelle Erbe nicht mehr verloren gehen kann. Einen extra Anreizfond gibt es für Publisher, die der Stiftung Sourcecode und Assets zur Verfügung stellen möchten. Die Global Games Heritage unterstützt weiterhin die Entwicklung von Emulatoren, indem sie mit ihren Mittel urheberrechtlich geschützte Inhalte wie Firmware “freikauft”. Warum sollten sich die Publisher auf meine Utopie einlassen? Das ist die Frage aller Fragen. Gewinnorientierte Unternehmen sind nicht gut um Geben, doch darum geht es. Kontrolle ab-geben, geistiges Eigentum frei-geben, Verdienstmöglichkeiten auf-geben. Es ist eben nur meine ganz persönliche Wunschvorstellung von der schönen neuen Downloadwelt. Und die muss sich nicht an den Geschäftsmodellen der Gegenwart messen lassen. Noch Diskussionsbedarf? Dann komm mit rüber zu Polyneux und bereichere die Kommentare mit deiner eigenen Vorstellung, wie die Zukunft aussehen soll.